Internationalisierung – eine Bereicherung für den Fachunterricht

Internationalisierung als Bereicherung für den Fachunterricht

Internationale Begegnungen bereichern den Unterricht und den Unterrichtsalltag. Oftmals führen sie zu Erkenntnissen, die ohne eine mehrsprachige und mehrkulturelle Betrachtung und Begegnung gar nicht möglich wären.

Dabei wird meist nur an die Fremdsprachen gedacht, die per se auf internationale Kontakte und mehrsprachliche Kommunikation hinarbeiten und schon oftmals Tools wie eTwinning oder TeleTandem unterrichtlich nutzen. Der eigentliche Fachunterricht hingegen führt oftmals mit Blick auf den Aspekt „Internationalisierung“ ein Schattendasein.

Internationale Projekte und Begegnungen im Unterricht ermöglichen aber auch für den Fachunterricht vielfältige Chancen und Perspektiven, auch die anderen Fachbereiche können erheblich davon profitieren. So können Schülerinnen und Schüler z.B.

  • in den Gesellschaftswissenschaften globale ökonomische, ökologische und soziale Herausforderungen im Unterricht durch virtuelle Kontakte gemeinsam und mehrperspektivisch diskutieren; 
  • in den MINT-Fächern eine anwendungsbezogene und mehrsprachige Zusammenarbeit mit Blick auf naturwissenschaftliche Erkenntnisgenerierung und Erfindertum erleben;
  • in den musisch-kulturellen Fächern Partizipation und kulturelle Teilhabe auf europäischer Ebene erfahren und trainieren.  

In diesem Kapitel erfahren Sie, 

  • was Sie organisatorisch zu berücksichtigen haben, wenn Sie eine internationale Projektarbeit durchführen möchten,
  • auf welche Weise Sie die Internationalisierung des Fachunterrichts strategisch in der Schule voranbringen und Fachschaften und Lehrkräfte in dem Feld der Austausch- und Projektdidaktik und -methodik weiterbilden können,
  • welche didaktisch-methodischen Settings als Hilfe zur Planung eines internationalisierten Fachunterrichts hilfreich sein können.

Wie internationale Begegnungen und Austausche als Teil der Internationalisierung als Bildungsmaßnahmen systemisch in der Schule verankert werden, erfahren Sie im Kapitel Internationale Aktivitäten ins Schulprogramm integrieren.

Immer im Dreischritt: Vorbereitung – Durchführung – Nachbereitung

Um das internationale Begegnungen innewohnende Potenzial bestmöglich auszuschöpfen, bietet es sich an, jede internationale Begegnung – von der Einladung eines ausländischen Gastes im Klassenraum bis zur projektorientierten Drittortbegegnung – hinsichtlich ihrer drei Phasen „Vorbereitung“, „Durchführung“, „Nachbereitung“ zu durchdenken. 

Alle drei Phasen umfassen verschiedene, miteinander verwobene Ebenen:

  • eine sprachliche,
  • eine inhaltliche,
  • eine interkulturelle sowie
  • eine organisatorische.

In der Vorbereitungsphase gilt es z.B. persönliche Kontakte anzubahnen mittels einer Videobotschaft für die Partnerschülerinnen und -schüler (über sich, über das Wohnumfeld, über die Schule). In der Durchführungsphase ist z.B. ein Zusammenführen der Teilnehmenden mit Werkzeugen der Sprachanimation sinnvoll, in der Nachbereitung z.B. eine angemessene transkulturelle Reflexion.

Welche Bausteine im Einzelnen in den drei Phasen sinnvoll sein können, wird ausführlich im Artikel Von der Idee zum Programm – Was bei der Planung eines Austauschprojekts wichtig ist der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch dargelegt.

Digitale Tools zur Unterstützung nutzen

In jüngster Zeit hat sich gezeigt, dass zahlreiche Digitale Tools für den virtuellen Austausch in allen drei Phasen der Begegnung unmittelbar dienende Funktion besitzen und den Kontakt und den Austausch zwischen den Jugendlichen fördern können – etwa, wenn es um die zügige Organisation einer 30-minütigen binationalen Austauschphase innerhalb einer Doppelstunde in sogenannten Breakoutrooms der gängigen Videokonferenzsoftware geht. Plattformen wie eTwinning des Programms Erasmus+ bzw. TeleTandem des Deutsch-Französischen Jugendwerks unterstützen die virtuelle Zusammenarbeit an Projekten und den Materialaustausch gezielt.

Online-Tutorials für interessierte Lehrkräfte erleichtern das Hineinfinden in das jeweilige Tool. Konkrete didaktische und unterrichtsmethodische Tipps und Tools für den virtuellen Austausch bietet zudem auch die gleichnamige Website bei „Austausch macht Schule“. Zahlreiche konkrete Anregungen für den virtuellen Austausch finden sich auf der Website des Pädagogischen Austauschdienstes (z.B. Videobotschaft, virtuelle Pinnwand, Foren, Chats).

Internationale Projektarbeit integrieren

„Wie schaffe ich es, dass Menschen mit einem unterschiedlichen Hintergrund und verschiedenen Lebensweisen Lust haben zusammenzuarbeiten?“

Mit diesem Satz bringen Conrad/Legrand (2014: 1) die zentrale Aufgabe einer Projektarbeit innerhalb einer internationalen Begegnung auf den Punkt. In ihrem Leitfaden zur Projektpädagogik geben sie zahlreiche wertvolle Hinweise bezogen auf alle Phasen der Projektarbeit. Auch hier gilt der Dreischritt: Vorbereitung – Durchführung – Nachbereitung.

Merkmale einer gelungenen Projektarbeit 

Grundsätzlich lassen sich die Schlagworte einer gelungenen Projektarbeit wie folgt auf den Punkt bringen: 

  • ein Thema, das trägt und interessiert (bzw. bei musisch-kulturell-sportlichen Projekten ein „Produkt“, das Identifikation und handelnde Erfahrungen ermöglicht)
  • Möglichkeiten für die Teilnehmenden, Alltagserfahrungen und Einsichten einzubringen
  • (im positiven Sinne) sprachliche und kognitive Forderungen an die Lernenden – zur sprachlichen Unterstützung bietet sich auch ein Scaffolding an (d.h. beispielsweise die Bereitstellung von Redewendungen zur Aushandlung von Prozessen),
  • Planungs- und Gestaltungsfreiraum (auch mit Blick auf die Lernprodukte),
  • die Einbindung ggf. thematisch affiner Exkursionsziele, die explizit nicht zu touristischen Sehenswürdigkeiten gehören (z.B. ein Mehrgenerationenhaus, eine Solarenergie-Anlage, ein Bio-Bauernhof, eine Gedenkstätte) 
  • die Anbahnung von Begegnungen mit Personen, die mit den Lernenden in einen lebendigen themenbezogenen Dialog treten, 
  • eine (auch zeitlich zum Ausdruck gebrachte) Wertschätzung der Beiträge sowie eine Reflexion in inhaltlicher und prozessbezogener Hinsicht

Strategien zur Internationalisierung von Schulbildung im Fachunterricht

Auf systemischer Ebene können folgende Strategien hilfreich sein, Internationalisierung dauerhaft im Unterricht zu verankern:

Thematisch

  • in ausgewählten Fachschaften für einzelne Jahrgangsstufen geeignete Themen finden, die sich lohnen, mit „gekreuzten“, interkulturellen Blicken zu betrachten und entsprechend im Fachcurriculum zu verankern,
  • ggf. Ansätze für fächerverbindende Projektarbeit identifizieren und im Schulcurriculum/Schulprogramm verankern.

Organisatorisch

  • geeignete Formate zur Umsetzung festlegen: in Präsenz (z.B. Projektarbeit im Fachunterricht einzelner Fächer im Rahmen von bestehenden Schüleraustauschprogrammen, Drittortbegegnung, gemeinsamer Exkursionstag am dritten Ort auf halber Strecke zwischen beiden Schulen) oder virtuell (z.B. Austausch im Rahmen einer gemeinsamen synchronen Arbeitsphase in einer Doppelstunde im Monat, eine wöchentliche gemeinsame virtuelle Arbeitszeit),  
  • ggf. jährlich wiederkehrende Angebote von international ausgerichteten Projektkursen/ Seminarkursen oder Arbeitsgemeinschaften einrichten. Hier besteht am meisten Offenheit in puncto Ausgestaltung der Bildungsinhalte,
  • regelmäßig Evaluationen und Monitoring zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung dieser internationalen Angebote durchführen. 

Personell

  • Schulungen für Fachschaften durchführen – für Sachfach- und Sprachlehrkräfte – zur Didaktik und Methodik von internationalen Begegnungen (vgl. Qualitätsmerkmale einer internationalen Begegnung), zum Einsatz von digitalen Tools für virtuelle Austausche, zur Anlage von transkulturell ausgerichteten Unterrichtsprojekten etc.,
  • Bildung von Teams von Lehrkräften zur Umsetzung der Projekte,
  • Einrichtung einer Präsenz- und virtuellen Lesetheke mit praxisbezogenen Veröffentlichungen zur Austauschpädagogik (Fachzeitschriften, Publikationen der Austausch- und Mittlerorganisationen etc.).

Themenfindung für eine internationale Projektarbeit im Fachunterricht

Um die unterrichtliche Relevanz herauszustellen und die Stellung der international ausgerichteten Projektarbeit zu stärken, bietet es sich an, diese zu lehrplanrelevanten Themen durchzuführen und die Fächer entsprechend zu beteiligen.  

Grundsätzlich eignen sich Themen, die sich als Querschnittsthemen für viele Fächer fungieren – auch, um möglicherweise ein fächerverbindendes Arbeiten zu ermöglich. Zu denken ist z.B. an

  • die spezifische Umsetzung einzelner Sustainable Development Goals in bestimmten Bereichen (z.B. etwa im Bereich Stadt: nachhaltige Stadtquartiersplanung für Alt und Jung; im Bereich Energie: Energieversorgung der Zukunft – unser Beitrag auf lokaler Ebene),
  • die Bedeutsamkeit des kulturellen Erbes (auf materieller, immaterieller Ebene, z.B. problemorientierte Betrachtung von gefährdetem Welterbe in unterschiedlichen Regionen der Welt und Lösungsmöglichkeiten),
  • Freizeit und Konsum im transkulturellen Vergleich,
  • Geschichte und Erinnerung gemeinsam gestalten (siehe etwa das Deutsch-Französische Vademekum zur Erinnerungsarbeit und Friedenspädagogik)

Methodische Anregungen für einen internationalisierten Fachunterricht 

Wenn Lernende aus verschiedenen Sprachen und Kulturen sich Sachverhalte erschließen und gemeinsam an Projektthemen arbeiten, bietet es sich an, auf verschiedene methodische Verfahrensweisen zurückzugreifen, um den Aspekt der „gekreuzten Blicke“ zu unterstützen. 

Dazu zählen z.B. 

  • die Integration von Techniken zur Förderung von Interkultureller Kompetenz und Mehrperspektivität
  • die gezielte didaktische Inszenierung von transkulturellen Konzeptvergleichen zum Beispiel durch die Anfertigung eines Transkulturellen Konzeptbaums oder eines Venn-Diagramms (vgl. Böing 2021), 
  • den Rückgriff auf Scaffolding-Maßnahmen zur sprachlichen, inhaltlich-konzeptualen und strukturellen Erschließung (vgl. Böing 2011, dort Seite 5). 

Fazit

Egal für welche Maßnahme der Internationalisierung des Fachunterrichts man sich entscheidet – von der punktuellen Einbindung eines fremdsprachigen Experten in den Fachunterricht bis hin zu einer internationalen Projektarbeit: Sie besitzt vielfältiges Potenzial, den Fachunterricht zu bereichern und einen Beitrag zur Unterrichtsentwicklung zu leisten. 

Denn wenn Lernende in mehreren Sprachen über Inhalte und Konzepte sprechen, die sie in einem einsprachigen Fachunterricht nicht kennengelernt hätten, ist auch ein Mehrwert für das Fach und für die persönliche Erkenntnisgewinnung gegeben. Für die Schülerinnen und Schüler, aber ebenso für ihre Lehrkräfte, die den Weg der Internationalisierung ihres Fachunterrichts gehen. 


Literatur

Böing, Maik (2011): Comment aborder l‘enseignement bilingue? Bilinguale Unterrichtsvorhaben planen und durchführen.
In: Der fremdsprachliche Unterricht Französisch. Heft 110. S. 2-9.

Böing, Maik (2015): Der deutsch-französische Schüleraustausch 50 Jahre nach dem Elysée-Vertrag: Herausforderungen und praxisorientierte Strategien der Weiterentwicklung. In: Französisch heute. Heft 4. S. 5- 17.

Böing, Maik (2021): Transkulturelle Konzeptvergleiche didaktisch inszenieren – Impulse für Austauschprogramme und Unterricht.
In: Französisch heute. Heft 4. S. 27-33.

Conrad, Wulf/ Legrand, Thomas (2014): Deutsch-französischer Schüleraustausch als Projekt.

Der fremdsprachliche Unterricht Französisch (2007): Austausch reell, virtuell, interkulturell. Heft 87.

Der fremdsprachliche Unterricht Französisch (2016): Projektarbeit interkulturell. Heft 141.

Französisch heute (2015): Austauschdidaktik und interkulturelles Lernen im deutsch-französischen Kontext. Heft 4.

Französisch heute (2019): Projektideen und -methoden für Exkursionen, Drittortbegegnungen, virtuelle und reale Austausche. Heft 3.

Französisch heute (2021): Partenariats. Ideen, Methoden, Aktivitäten. Heft 4.

Kontakt
Maik Böing
Maik
Böing
Geographie- und Französischlehrer, engagiert in der Lehreraus- und -fortbildung

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