Konferenzbericht "Den internationalen Bildungsauftrag mit Berlins Städtepartnerschaften gestalten"
Berlin unterhält Städtepartnerschaften mit 17 Städten weltweit; hinzu kommen zahlreiche Partnerschaften der einzelnen Stadtbezirke. Gleichzeitig pflegen viele Berliner Schulen internationale Bildungskooperationen mit Schulen im Ausland, denn gerade in Berlin wird der internationale Austausch junger Menschen an Schulen sehr geschätzt.
Doch wie können Schulen die Städtepartnerschaften Berlins für ihre Internationalisierung nutzen? Wie kann wiederum das Land Berlin bei der Gestaltung seiner Städtepartnerschaften von einer stärkeren Einbindung der Schulen profitieren?
Diesen Fragen widmete sich die vierte Regionalkonferenz von »Austausch macht Schule« am 28. Februar in Berlin. Die Diskussionen stellten die Wechselbeziehungen von Städtepartnerschaften und Schul- und Schüleraustausch ganz in den Mittelpunkt. Organisatoren waren die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, die Berliner Senatskanzlei und die Initiative »Austausch macht Schule«.
Anregungen für ihre Austausche
Über 140 Lehrkräfte und Schulleitungen, Vertreter*innen von Vereinen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Stadt sowie von Behörden und Organisationen, die Schulen und Austausche unterstützen, waren ins Rote Rathaus gekommen, um sich Anregungen für ihre Austausche zu holen und ihre Erfahrungen mit Fachkolleginnen und -kollegen zu teilen. Im Foyer stellten zudem die Fach- und Förderstellen für internationalen Austausch sich und ihre Angebote vor.
Für die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eröffnete Grit Orgis die Konferenz. Sie sagte:
„Berlins Städtepartnerschaften bieten für Bildungs- und Jugendeinrichtungen ideale Voraussetzungen für eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit anderen Haupt- und Weltstädten. Von den damit einhergehenden Partnerschaften und internationalen Lernerfahrungen profitieren Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie das gesamte „System Schule“. Fachdidaktik und fachübergreifende Themengebiete erhalten wichtige Impulse und werden mit Leben gefüllt."
»Austausch macht Schule«-Projektkoordinator Bernd Böttcher sprach davon, dass zur Eröffnung:
„Im Prinzip ist es eine Win-Win-Situation: Schulen brauchen gute und verlässliche Rahmenbedingungen, damit Lehrerinnen und Lehrer ermuntert und unterstützt werden, regelmäßige internationale Austausche zu betreuen.
Bei Partnerschaften auf kommunaler Ebene bestehen solche Strukturen und Kontakte bereits. Hier ist man offen für Aktivitäten, die besonders junge Menschen ansprechen. Gemeinsam und oft in unmittelbarer lokaler Nachbarschaft können Schule und Akteure der Städtepartnerschaften einen lebendigen Austausch organisieren, der junge Menschen fürs Leben prägt.“
Denn auch wenn es schon so viele lebendige Kontakte zwischen Berlin und Städten im Ausland auf Ebene der Städtepartnerschaften gibt, suchen doch noch viele Schulen die Unterstützung durch Akteure im Rahmen von Städtepartnerschaften.
In sechs Themenforen wurden Aspekte dieser Problematik diskutiert: Das Spektrum reichte dabei von niedrigschwelligen Formaten, mit denen auch junge Menschen an Schulen erreicht werden können, die bislang im Austausch weniger aktiv sind, bis hin zu den Rahmenbedingungen, die es braucht, um langfristig angelegte, internationale Kooperationen an Schulen zu etablieren. Behandelt wurden jedoch auch Fragen der Zusammenarbeit von Schulen mit Partnern in ihrem lokalen Umfeld oder der Gestaltung von inklusiven Austauschen.
Aus den Diskussionen
Im Forum Wege in die Bildungskooperation – was braucht es noch? tauschten sich die Teilnehmenden darüber aus, welchen strukturellen und personellen Hürden sie bei ihren Austausch-Bemühungen begegnen.
Geld war hier ein großes Thema: Es wird alljährlich um die Förderung gebangt, Anträge müssen geschrieben werden und eine Lehrerin stellte die Frage, ob es denn für Lehrkräfte zumutbar sein dürfe, in Gastfamilien untergebracht zu werden und Kolleg*innen als Gäste aufzunehmen, denn nicht immer würden die Förderpauschalen für Kost und Logis in Städten wie Paris z.B. für ein Hotelzimmer nicht ausreichen.
Gleichzeitig betonte ein Teilnehmer im Forum aber, wie viel wichtiger es sei, auf engagierte Kolleg*innen und Schulleitungen zählen zu können, die hinter den Austauschvorhaben stehen.
Als wichtiges, relativ neues Phänomen der letzten Jahre wurde zudem die Elternarbeit genannt: Was früher im Unterricht mitgeteilt werden konnte, sollte heute als Infoveranstaltung für die Eltern stattfinden. Von stündlichen WhatsApp-Nachrichten und GPS-Tracking wird berichtet, die Eltern seien einfach vorsichtiger geworden: Nicht nur bei undemokratischen Ländern, sondern auch im Falle von Dänemark greife die Angst vor dem Loslassen um sich.
Im Forum zum Thema Inklusiver Schüleraustausch wurde empfohlen, projektbezogene Begegnungen anzustreben: So stünden z.B. Fremdsprachkenntnisse nicht mehr im Mittelpunkt und auch der Sportlehrer darf den Austausch initiieren. Über die Fach- und Förderstellen für internationalen Austausch werden Sprachmittler mitfinanziert, das soll genutzt und betont werden, da es sowohl Schüler*innen als auch Lehrkräften Sicherheit gebe. Wenn zudem ein Sozialarbeiter oder eine Sprachanimateurin den Austausch begleite, so ein Forumsteilnehmer, hätten gerade „Problemschüler“ durch den Austausch die Möglichkeit, sich von anderer Seite zu zeigen und kennenzulernen, und nicht nur in der Rolle zu bleiben, die ihnen im Unterricht zukommt.
Saskia Herklotz vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk gab zu Bedenken: „Wie schauen wir auf diese Zielgruppe, erreichen wir sie besser, wenn wir sie in die Schublade „Förderbedarf“ stecken, oder gehen wir einfach davon aus, dass wir explizit alle mitnehmen wollen?“
Foren der Städtepartnerschaften
Nach einer Kaffeepause wurden in sechs Städtepartnerschaftsforen spezifische Fragen des bilateralen Austausches mit Paris, Moskau, Warschau, Prag, Istanbul, Los Angeles und Peking besprochen. Eine wichtige Rolle spielten hier die meist bilateralen Fach- und Förderstellen, die Schulen nicht nur finanziell bei der Gestaltung von Austauschen unterstützen, sondern inhaltlich beraten.
Aber auch zum Beispiel die Senatskanzlei Berlin ist sehr engagiert und an einer Vernetzung der Akteur*innen interessiert. Ulrike Kind, die das Forum Warschau und Prag leitete, hatte Schulleitungen aus Prag eingeladen, um sie mit Vertreter*innen Berliner Schulen zusammenzubringen und so Partnerschaften anzuregen. Durch ein Speed-Dating – auf der einen Seite die Schulen, auf der anderen Seite Organisationen, Verwaltung und andere Akteur*innen – konnten innerhalb kürzester Zeit Kontakte und Anknüpfungspunkte gefunden werden.
Die anschließende Diskussion im Plenum drehte sich um die Herausforderungen, denen Lehrkräfte und Schulleitungen bei ihren Bemühungen um einen Schulaustausch begegnen.
„Ich dachte, Finanzierung und Antragstellung wäre das schwierigste. Ist es aber gar nicht, da gibt es viele Hilfestellungen. Schwierig ist es, die Lehrkräfte aus ihrer Komfortzone zu locken“, so die Vertreterin einer Berliner Schule.
Die Prager Gäste hingegen bedauerten, dass es schwer sei, das Interesse der deutschen Schüler*innen an ihrer Stadt zu wecken: „Wir haben keine spanische Sonne, sind nicht in Amerika – aber wir finden Prag trotzdem sehr attraktiv!“ In Tschechien hingegen werde Deutsch als zweite Fremdsprache gerade wieder populärer. Als Lösung hierfür wurden Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Partnern genannt – beim Deutsch-Polnischen Jugendwerk etwa sei diese Zusammenarbeit anfangs aus der Not heraus geboren, erzählte Geschäftsführer Stephan Erb, da es nicht so viele interessierte deutsche Schulen wie polnische gab –auf deutscher Seite dafür mehr NGOs. Erst vor wenigen Jahren habe man ganz bewusst auf solche Kooperationen gesetzt – auch, um über außerschulische Partner die Schulen in den Austausch zu bringen, die sich die Organisation alleine nicht zutrauen.
Neben den Partnerstädten als Austauschziele für die Berliner wurde an mehreren Stellen betont, dass auch ein Austausch zwischen städtischen und ländlichen Gebieten spannend sein könnte: „Nächste Woche fahren drei Klassen unseres Kreuzberger Gymnasiums in die Uckermark – das ist deutlich exotischer für unsere Schüler*innen, als die jährlichen Ferien in der Türkei“, erklärte ein Schulleiter.
Wie geht es weiter?
Da die Teilnehmenden sich auf jeweils ein Forum beschränken mussten und nicht überall gleichzeitig sein konnten, fasste Philip Wegmann vom Deutsch-Französischen Jugendwerk für die Abschlussdiskussion die Quintessenzen der Foren zusammen.
Er betonte, es gebe schon ein wahnsinniges Angebot für Austausche. Die Herausforderung liege bei diesem „Informationsrauschen“ darin, Angebote mit Nachfrage zusammenzubringen, die Sichtbarkeit zu verbessern und auch mit Überforderung und Überwältigung angesichts der Möglichkeiten umzugehen. Gerade Städtepartnerschaften können hier als guter Andock-Punkt dienen. Und auch die Senatskanzlei machte abschließend deutlich, dass sie über ein gutes Netzwerk in die Partnerstädte verfüge und gerne Kontakte vermittle.
Hier finden Sie eine ausführliche Dokumentation der Konferenzinhalte und Materialien erscheinen demnächst an dieser Stelle.
Die Konferenz war – nach Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt – die vierte Regionalkonferenz der Initiative »Austausch macht Schule«. Als nächstes steht im Mai eine Konferenz zu internationalem Austausch und Europabildung mit Europaschulen in Rheinland-Pfalz an.
Veranstalter der Konferenz im Berliner Roten Rathaus:
Die Konferenz wurde finanziell gefördert durch die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung Mercator.