Internationalisierung als Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags
1. Gesetzliche Grundlagen für eine Internationalisierung an der Schule
Internationalisierung ist bereits Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Hinweise darauf geben zahlreiche Gesetze, Empfehlungen, Richtlinien und Orientierungsrahmen.
Schule leistet heute einen wichtigen Beitrag zum grundgesetzlich garantierten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG). Die allgemeinen Ziele der deutschen Bildungspolitik sind unter anderem die Vermittlung von Werten wie der Achtung der Menschenrechte, kultureller und politischer Vielfalt, und die Stärkung des Bewusstseins für ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit sowie europäische und internationale Zusammenarbeit.
Bildung fällt generell in die Zuständigkeit der Bundesländer, die dazu in der Kultusministerkonferenz (KMK) zusammenarbeiten. Die Gesetzgebung der Bundesländer definiert im Detail den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen. So wird in den Schulgesetzen vieler Bundesländer die europäische und internationale Ausrichtung der schulischen Bildung sichtbar. In diesem Sinne soll sie junge Menschen insbesondere dazu befähigen, eigene und andere Kulturen und Sprachen kennenzulernen, um respektvoll und vorurteilsfrei mit Menschen anderer Herkunft, Weltanschauung oder Religion umzugehen. Darüber hinaus soll das Bewusstsein als europäische Bürger*innen gestärkt und der europäische Zusammenhalt gefördert werden. Auch Handlungsorientierung beim Umgang mit gesellschaftlichem, ökologischem, ökonomischem und politischem Wandel im globalen Kontext soll vermittelt werden.
Die Bundesländer orientieren sich dabei auch an internationalen Abkommen. Die deutsche Mitwirkung in der europäischen und internationalen Bildungspolitik – etwa in bildungspolitischen Gremien der EU, der UNESCO, der OECD und dem Europarat – wird deshalb von der KMK koordiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Friedenssicherung, Wahrung der Menschenrechte und partnerschaftlichen Kooperationen (vgl. KMK Internationales). So standen 2009 etwa lebenslanges Lernen und Mobilität auf der Agenda des Strategischen EU-Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung („ET 2020“). Bei der OECD liegt der Schwerpunkt auf Qualitätssicherung und länderübergreifender Vergleichbarkeit der Bildung, die UNESCO hingegen legt ihren Fokus auf Bildung für alle sowie die Wahrung des Friedens und der Menschenrechte.
Die gemeinsam auf internationaler Ebene erarbeiteten Grundsätze dienen in Deutschland zur Orientierung für die Gestaltung des Bildungssystems auf Bundes- und Landesebene (vgl. KMK Multilaterale Zusammenarbeit).
So hat zum Beispiel die KMK in ihrer Empfehlung zur Europabildung in der Schule eine wichtige Grundlage für die Verortung der europäischen Identität, Verständigung und Kooperation im schulischen Alltag formuliert. Auch die Koordination und Vernetzung von UNESCO-Projekt-Schulen in Deutschland trägt zur Förderung interkultureller Bildung und Stärkung grenzüberschreitender Zusammenarbeit im globalen Kontext bei.
In Richtlinien, Verordnungen und Beschlüssen einzelner Bundesländer finden sich weitere Regelungen zur Förderung europäischer und internationaler Vernetzung. Diese soll explizit in Form von schulischen Kooperationen und Schüleraustausch stattfinden und auf die Finanzierungsinstrumente auf der Landes-, Bundes- und Europaebene zurückgreifen. (Hier finden Sie Übersicht von Anträgen und Beschlüssen deutscher Landesparlamente, in denen der internationale Jugend- und Schüleraustausch thematisiert wird.) Lernen an anderen Orten wird zu einem Qualitätsmerkmal – so können internationale Vorhaben der Schulen in Kooperation mit außerschulischen Trägern stattfinden.
Außerdem ergänzen bilaterale Verträge die Basis für die Internationalisierung der schulischen Bildung, etwa der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit (1963), der Vertrag mit der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit (1991) oder die Absichtserklärung zur Errichtung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks (2014). Schulpartnerschaften und dem Schüleraustausch wird in all diesen Abkommen eine essenzielle Rolle zugeschrieben.
2. Ziele der Internationalisierung und Grundsätze für ihre Umsetzung
2.1. Ziele eines Internationalisierungsvorhabens
Aus dem rechtlichen Rahmen wird sichtbar, dass es zahlreiche bildungspolitische Ziele gibt, die sich besonders gut mithilfe internationaler Vernetzung und grenzüberschreitenden Kooperationsvorhaben an Schulen umsetzen lassen. So ist das übergeordnete Ziel von Internationalisierung an den Schulen die Vermittlung von persönlichen, sozialen, interkulturellen und fachlichen Kompetenzen, die zu einem friedlichen, demokratischen und verantwortungsvollen Handeln innerhalb der europäischen sowie der globalen Weltgemeinschaft führen.
Um dieses ehrgeizige Projekt an den Schulen umzusetzen, muss eine Reihe von Teilzielen erreicht werden. Die Schüler*innen sollen folgende Kompetenzen entwickeln:
- Akzeptanz von Vielfalt innerhalb der Gesellschaft
- Fähigkeit, verschiedenen Kulturen, Sprachen, Religionen und Weltanschauungen mit Toleranz, Offenheit und Verständnis zu begegnen
- Verständnis für demokratische Prozesse und zu deren Mitgestaltung
- Kenntnis und Wahrung der Menschenrechte
- Verständnis von Friedensprozessen und Einsatz für ein friedliches Leben in Europa und in der Welt
- Kenntnis der europäischen Geschichte und Kultur sowie aktives Engagement als Bürger*innen Europas
- Verständnis für die Verantwortung des Menschen für nachhaltige Entwicklung und umweltbewusstes Handeln
- Erkennen globaler Zusammenhänge und eigener Beiträge zum Wohle der Weltgemeinschaft
Diese Ziele lassen sich an der Schule durch verschiedene Maßnahmen verwirklichen, wobei sich gerade Internationalisierung dafür in besonderem Maße eignet.
2.2. Grundsätze für die Umsetzung eines Internationalisierungsvorhabens
Folgende Grundsätze bilden eine Basis für die erfolgreiche Umsetzung dieses Vorhabens:
1) Internationalisierung als Querschnittsaufgabe für die gesamte Schule
Aus den genannten Zielen ergeben sich inhaltliche Bereiche, die in einzelnen Schulfächern, wie Sozialkunde, Politik, Ethik, Erdkunde oder dem Fremdsprachenunterricht thematisiert werden. Da es sich hier nicht nur um Wissens- sondern vor allem um Wertevermittlung handelt, sollen diese Inhalte im breiteren Kontext gesehen werden. Wenn internationale Zusammenarbeit zur Entwicklung dieser Werte beitragen soll, muss sie als Querschnittsaufgabe für die gesamte Schule gesehen und im Schulprogramm verankert werden.
2) Beteiligung des gesamten Kollegiums
Internationalisierung der Schule ist mit einem erheblichen organisatorischen und zeitlichen Aufwand verbunden. Die Zusammenarbeit des gesamten Kollegiums und die Unterstützung seitens der Schulleitung sind dafür dringend erforderlich.
3) Anbindung von Schüler*innen und Eltern
Auch wenn der Impuls zum Aufbau von internationalen Kooperationen an der Schule vom Lehrerkollegium ausgeht, müssen die Schüler*innen an die Planung und Umsetzung des Vorhabens angebunden werden. Ihre Bedürfnisse, Interessen, aber auch Ängste sollen stets mitberücksichtigt werden.
Auch die Rolle der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten ist wichtig: Nur wenn sie internationale Kooperationen befürworten, werden sie zum gemeinsamen Team mit dem Lehrerkollegium und können zur Vermittlung der Werte und damit zum Erfolg des Vorhabens beitragen.
Im Fall der beruflichen Schulen ist die Kooperation mit den Ausbildungsbetrieben von großer Bedeutung, denn ihre aktive Unterstützung bei internationalen Projekten ist unentbehrlich.
4) Kooperationsbereitschaft mit außerschulischen Partnern
Neben den Schulen gibt es weitere Akteure, die den Bildungsauftrag erfüllen. Eine Vielzahl von außerschulischen Trägern ist auf Vermittlung von bildungspolitischen Inhalten spezialisiert. Sie bieten nicht nur alternative Vermittlungsmethoden oder Lernräume, sondern unterstützen auch mit ihrer Kompetenz im internationalen Kontext, z.B. bei der Partnersuche oder der Programmgestaltung.
Die KMK verweist gerade bei Querschnittsthemen explizit auf Kooperationen mit außerschulischen Partnern , etwa in ihrer gemeinsam mit der Jugendministerkonferenz verabschiedeten Empfehlung. Dazu, welche Partner sich besonders für solche Kooperationen eignen (z.B. NGOs, lokale und globale Träger) (vgl. Kapitel „Internationalisierung als Schulentwicklungsvorhaben“).
3. Themenschwerpunkte bei internationaler Zusammenarbeit
Die Ziele der Internationalisierung bilden den Ausgangspunkt für die Auswahl der inhaltlichen Themenschwerpunkte. Diese haben eine Doppelfunktion: Einerseits eigenen sie sich besonders gut für die Behandlung im internationalen Kontext. Andererseits fördern sie die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit in besonderem Maße.
Hier ein Überblick über diese Themenfelder samt entsprechender Empfehlungen und Rahmenkonzepte.
Bildung für Nachhaltige Entwicklung befasst sich mit globalen Zusammenhängen zwischen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Sie vermittelt Kompetenzen zur verantwortungsvollen und bewussten Gestaltung des Lebens in der globalisierten Welt.
- KMK: Empfehlung zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule“ (2007)
- KMK: „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ (2015/16)
- BMBF: Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung
Demokratiebildung umfasst die Vermittlung von Wissen zu politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen sowie von Kompetenzen zum kompetenten Handeln in einer demokratischen Gesellschaft.
- KMK: Empfehlung „Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule“
- Website des Bündnisses „Demokratie Erleben"
- Charta des Europarates zur Demokratie- und Menschenrechtsbildung (EDC/HRE)
Europabildung beschäftigt sich mit der europäischen Identität und dem europäischen Zusammenhalt. Sie aktiviert zur bewussten Teilnahme an Mitgestaltung der europäischen gesellschaftlichen und politischen Prozesse.
Interkulturelle Bildung setzt sich mit der Vielfalt in der Gesellschaft auseinander und vermittelt Kompetenzen zum toleranten Umgang mit Diversität.
Fremdsprachenunterricht umfasst neben der reinen sprachlichen Bildung auch Förderung der Mehrsprachigkeit und der kulturellen Vielfalt, Stärkung von Mobilität und Integration sowie Vorbereitung auf eine international geprägte Wirtschafts- und Arbeitswelt.
- KMK: „Empfehlungen zur Stärkung der Fremdsprachenkompetenz" (2011)
- Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen
- KMK-Fremdsprachenzertifikat (Berufsschule)
Alle diese inhaltlichen Schwerpunkte dienen dem Erreichen der formulierten Bildungsziele und fungieren als Querschnittaufgabe im schulischen Alltag.
Aus diesem Auftrag ergibt sich eine Reihe von Handlungsbedarfen.
1. Erstellung eines schulinternen Konzepts der Internationalisierung
Die internationale Zusammenarbeit soll in einem Konzept erfasst werden, dass die allgemeine Vision, die schulinternen Teilziele sowie die konkreten Inhalte und Projektformate definiert. Das Konzept sollte im Schulprogramm verankert und muss vom gesamten Kollegium getragen werden.
2. Festlegung eines Koordinationsteams
Erstellung und Umsetzung des Konzepts ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Verantwortliche, die das Vorhaben koordinieren, sind zu bestimmen und ihnen für die Erfüllung ihrer Zusatzaufgaben ein Zeitkontingent (Zeitkontingente) zur Verfügung zu stellen. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist die ideelle Unterstützung und Wertschätzung dieser Arbeit seitens der Schulleitung und des Kollegiums unverzichtbar.
3. Festlegung der Projektformate
Anhand des schulinternen Konzepts und unter der Federführung des Koordinationsteams müssen Projektformate festgelegt werden, die zur Schule passen und vom Kollegium und der Schülerschaft mitgetragen werden. Mögliche Formate umfassen Projekte, Exkursionen, Austausch von Lehrkräften und Schüler*innen oder digitalen Austausch.
4. Betreuung von Kooperationen
Internationalisierung bedeutet Zusammenarbeit mit externen Partnern aus dem In- und Ausland (z.B. außerschulische Träger, Schulen in anderen Ländern). Die Kontaktaufnahme und -pflege müssen bei der Planung berücksichtigt und die Zuständigkeiten dafür klar definiert werden. Nur durch eine konstante und zuverlässige Zusammenarbeit, lassen sich langfristige Kooperationen aufbauen.
5. Regelmäßige Evaluation im Hinblick auf die Ziele und Inhalte
Die Qualität bei der Umsetzung eines Internationalisierungsvorhabens sollte regelmäßig überprüft werden. Auf dieser Grundlage können Inhalte und Formen auch kontinuierlich an die Bedürfnisse der Schüler*innen angepasst sowie in Hinblick auf die soziopolitischen Herausforderungen aktualisiert werden.
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