„Wir reisen nie nur für uns selbst..."
Das Tilman-Riemenschneider-Gymnasium in Osterode am Harz hat eine Möglichkeit gefunden, die Verankerung der Internationalisierung im Schulalltag auf sehr viele Schultern zu verteilen. Mit dem Motto „Wir reisen nie nur für uns selbst, sondern immer auch für die Schulgemeinschaft“ wird jede Begegnungsreise in die ganze Schule getragen. Und zwar vor allem von den Schüler*innen – als sogenannte Juniorbotschafter*innen sind sie inner- und außerhalb der Schule aktiv.
Das Tilman-Riemenschneider-Gymnasium Osterode pflegt seit über zehn Jahren eine begegnungsintensive Schulpartnerschaft mit Kaolack im Senegal. Die Idee der Junior-Botschafter*innen entstand im Rahmen von Filmabenden, an denen der schulischen und außerschulischen Öffentlichkeit von den Begegnungsreisen berichtet wurde. „Bei den Frage- und Diskussionsrunden ist mir aufgefallen, wie viel die Jugendlichen zu erzählen haben und wie viel sie eigentlich noch zu erzählen hätten“, erinnert sich Tobias Rusteberg, Beauftragter für Globales Lernen am TRG Osterode.
Es bedurfte zunächst einer „Beauftragung“ der Jugendlichen, ihre Botschaften zu verbreiten. Diese Botschafter*innen benötigten dann ritualisierte Anlässe wie Präsentationen in der Schule für die jüngeren Jahrgänge sowie außerschulische Präsentationsrunden bei Vereinen und Clubs. Ebenso wichtig ist Freiraum: „Sie gestalten ihre Berichte und Schwerpunkte stets selbst und es ist ein Genuss, die Tiefe und Vielfalt ihrer Anliegen zu erleben. Die Junior-Botschafter*innen sind mittlerweile der Motor unseres Brückenbaus zwischen Osterode und Kaolack. Es gibt keine bessere Sensibilisierung für unsere EINE Welt als durch die Augen und Herzen der Jugendlichen selbst“, so Tobias Rusteberg.
„Wer die Jugend erreicht, erreicht viel.“
Der verstorbene Mitgründer der Partnerschaft, Elhadj Diouf aus Kaolack, hat immer gesagt: „Wer die Jugend erreicht, erreicht viel.“. Und in Osterode zeigt sich: die Jugend erreicht man am besten mit gleichaltrigen oder etwas älteren Mitschüler*innen. So gehen die Juniorbotschafter*innen zum Beispiel in Schulklassen und informieren sie über die Sustainable Development Goals. Die älteren Schüler*innen geben ihre Erkenntnisse den Jüngeren weiter. „Wir wollen Motivator sein, durch unsere Geschichte und unsere Erfahrung Motivation erzeugen“, erklärt der 18-jährige Elias. Zusammen mit der 19-jährigen Marie spricht er in einer 5. Klasse des TRG über die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Marie ist begeistert, wie viel die „Kleinen“ schon wissen und wie viel Interesse sie für das Thema zeigen.
„Diese peer-to-peer-Sensibilisierung schafft Breite, Akzeptanz und Tiefe in der Schülerschaft“, erklärt Tobias Rusteberg. Die Juniorbotschafter*innen sind an der Schule entweder in der UNESCO-AG oder in internationalen Austauschprogrammen aktiv. Sie reisen nie nur für sich selbst, sondern immer auch für die Schulgemeinschaft. Und multiplizieren so ihre Erfahrungen und Projektergebnisse in jüngeren Jahrgängen.
Geringer Aufwand für Lehrkräfte
Der Ansatz der Multiplikation wird in Osterode bei jeder Begegnungsreise mitgedacht: „Die Begegnungszeit endet nie am jeweiligen Flughafen, sondern es sollte erklärtes Ziel sein, dass die Teilnehmer*innen im Nachgang in ihrer Schule und darüber hinaus von ihren Erfahrungen berichten“, erklärt Tobias Rusteberg. Das gilt sowohl für die deutsche als auch die internationale Partnerschule. „Durch die Junior-Botschafter*innen wird dieser Prozess peer to peer angestoßen, die Lehrkraft rückt in die Rolle des Betrachters und der Aufwand ist überaus gering. Schließlich sind alle Akteur*innen intrinsisch motiviert, von der Begegnung zu berichten“, so Tobias Rusteberg. Bei jeder Begegnung gibt es neue Botschafter*innen, diese wachsen quasi mit und nach. Ergo ist die Fortführung schon per se gegeben. Aktuell sind es 25 Juniorbotschafter*innen am TRG – und es werden immer mehr.
Nachwuchsprobleme hat das TRG bei seinem Bestreben nach Internationalisierung also keine. Die Junior-Botschafter*innen motivieren durch ihre beeindruckenden Erfahrungen jüngere Schüler*innen und diese rücken in den kommenden Jahren für Austauschfahrten und andere internationale Projekte nach. Förderlich dafür sei natürlich, dass in der Präambel des Schulprogramms fest verankert ist, dass die Schule ihren Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 leistet, so Tobias Rusteberg: „Dies legitimiert und motiviert die Schulgemeinschaft zu diversen Aktionen und gibt den Junior-Botschafter*innen eine besondere Rolle. Sie initiieren, motivieren, inspirieren und nehmen andere mit.“
Ein Beitrag von Christine Bertschi