Eine Zielgruppe, die nicht automatisch in den Genuss eines Austauschs kommt
Seit diesem Jahr kann Tandem, das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch, dem schulischen Austausch nicht mehr nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern auch selbst finanzielle Förderung bieten. Aus Mitteln der Stiftung Jugendaustausch Bayern wurde in Trägerschaft von Tandem der Bayerisch-Tschechische Schulaustausch für Real-, Mittel-, Berufliche- und Förderschulen eingerichtet.
Kurz erklärt: Was ist der Bayerisch-Tschechische Schulaustausch, was macht ihr?
Lisa Walden: Die Stiftung Jugendaustausch Bayern wurde erst vor zwei Jahren gegründet, sie finanziert unter anderem das Programm Bayerisch-Tschechischer Schulaustausch. Organisatorisch angesiedelt ist das Programm für den Bayerisch-Tschechischen Schulaustausch bei Tandem, dem Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch. Meine Stelle gibt es seit September 2022, die Projektförderung läuft seit Januar 2023, also noch nicht mal ein Jahr. Während Tandem traditionell Schulaustausch zwar mit Rat und Tat unterstützt, aber nicht finanziell fördert, haben wir durch das Programm Bayerisch-Tschechischer Schulaustausch zum ersten Mal eigene Fördergelder dafür hier im Haus.
Wir fördern Projekte und Schüler:innenaustausch zwischen bayerischen Mittelschulen, Realschulen, Förderschulen oder Beruflichen Schulen mit tschechischen Partnerschulen. Im Regelfall soll der Austausch auf Gegenseitig beruhen, in Ausnahmefällen können auch einseitige Vorhaben gefördert werden. Gefördert werden Kosten, die durch die Zusammenarbeit im internationalen Kontext entstehen. Also Programmkosten, Reise- und Unterbringungskosten, Verpflegungskosten, aber auch Honorare für Referent:innen oder Dolmetscher:innen.
Neben dem Schulaustausch mit Tschechien fördert die Stiftung Jugendaustausch Bayern auch außerschulische Projekte – international und nicht nur auf Tschechien beschränkt. Dies ist beim Bayerischen Jugendring angesiedelt, mit dem wir eng zusammenarbeiten.
Die Zielgruppe des Bayerisch-Tschechischen Schulaustauschs sind derzeit Real-, Mittel- und Förderschulen: Warum, und wo liegen die Herausforderungen und Chancen mit dieser Zielgruppe, die sonst nicht so im Fokus von internationalem Austausch steht?
Die Zugangsstudie hat gezeigt, dass die genannten Schularten deutlich weniger internationalen Austausch machen. Dazu kommt ein finanzieller Aspekt, in diesen Schulformen gibt es viele Jugendliche, deren Eltern nicht einfach mal eben eine internationale Reise bezuschussen können. Und das ist die große Chance unseres Programms: Einer Zielgruppe, die nicht automatisch in den Genuss eines internationalen Schulaustauschs kommt, dies zu ermöglichen. Es ist also eine Förderlücke, die wir schließen wollen.
In der „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus“ vom März 2010 wird die Wichtigkeit des internationalen Schulaustauschs unterstrichen. Sie bietet eine Grundlage für Schulleitungen, ihn auch im Lehrplan der eigenen Schule zu verankern.
Eine der Herausforderungen liegt darin, den Wert des Austauschs mit unserem Nachbarland zu bewerben. Tschechien liegt direkt neben uns und bietet sich an, es ist nicht zu weit, man kann im Notfall schnell zurück und eine klimafreundliche Anreise mit dem Zug ist ebenfalls möglich. Gleichzeitig scheint das Land für viele erstmal nicht sonderlich attraktiv. Junge Leute wollen raus in die große weite Welt, und auch sprachlich scheint Tschechien erstmal wenig zu locken. Unser Ziel ist, in die Köpfe der Schüler:innen, aber auch der Lehrkräfte zu kriegen, dass Tschechien als Partnerland viele Vorzüge hat: günstig gelegen, vielseitig und man kommt auch mit Englisch ganz gut weiter, wobei die tschechische Sprache gar nicht so schwer ist, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Zudem bekommen alle Projekte eine Sprachanimation angeboten, spätestens nach zwei Stunden merken alle Beteiligten, dass die Partnersprachen auch Gemeinsamkeiten haben und man sich mit etwas Phantasie verständigen kann. Und mit Händen und Füßen kommt man ja auch weit!
Eine weitere Herausforderung unserer Zielgruppe ist die unterschiedliche personelle Aufstellung. Bei Förderschulen wird es oft zum Problem, dass der Betreuungsschlüssel höher ist, und wenn genügend Betreuer:innen mitfahren, die Schule für die Zuhausegebliebenen in dieser Zeit Stunden streichen muss. Bei Beruflichen Schulen hingegen haben wir eine ganz andere Situation: viele der Schüler:innen sind schon volljährig, zudem in Ausbildung und recht selbständig. Solche Schulen sind auch entsprechend mutiger was eine Reise betrifft.
Wie klappt es mit den Sprachen - können sich die Jugendlichen in den Grenzregionen mit Deutsch und Tschechisch verständigen? Oder kommt eher Englisch zum Einsatz?
Viele tschechische Schulen haben einen Wahlkurs Deutsch. In Bayern sind Tschechischkenntnisse eher selten, und wenn dann eher durch den persönlichen Bezug bedingt. Wir empfehlen stets eine Sprachanimation, dadurch verlieren die Jugendlichen die Hemmungen und merken, dass die Sprachen auch Gemeinsamkeiten haben, man kann sich durchwurschteln. Man kommt gut zurecht, auch mit Englisch. Es sind eher die Erwachsenen, die denken, es könnte Probleme geben.
Die Verdolmetschung übernehmen oft Lehrkräfte, die beide Sprachen sprechen. Ich würde trotzdem empfehlen, eine:n Dolmetscher:in mitzunehmen, um die Lehrkräfte etwas zu entlasten. Generell sind es oft Sprachlehrer:innen, die Schulaustausche initiieren, aber wir möchten auch andere Fachbereiche ansprechen. Geschichte und Politik bieten sich natürlich immer an, aber ich könnte mir zum Beispiel auch total gut einen Sport-Austausch mit einer Kanutour durch Tschechien vorstellen. Im Bereich Berufliche Schulen hatten wir einen Austausch angehender Tischler:innen, die haben sich gemeinsam die Konstruktionsweise von Dachgiebeln erarbeitet und dafür welche in Miniaturformat gebaut.
Das Programm ist noch ganz neu, wie groß ist das Interesse der Schulen, wie sind die Chancen auf Förderung für Interessierte?
Der Förderzeitraum hat Anfang 2023 begonnen und ist vorerst bis Ende 2024 befristet. Es läuft sehr gut, bisher konnte ich alle Anträge bewilligen. Für das laufende Jahr sind die Fördergelder aber leider schon erschöpft. Gern nehme ich für 2024 Anträge entgegen!
Wir versuchen die Förderung und die Abläufe so unkompliziert und großzügig wie möglich zu halten: Zwischen Antragstellung und Projektbeginn müssen nur acht Wochen liegen, im Notfall wären mit einer Überstunde meinerseits auch mal vier Wochen Vorlauf möglich. Während in anderen Programmen knapp bemessene Tagessätze die Regel sind, bieten wir eine Förderung als Fehlbedarfsfinanzierung an, wobei wir bis zu 80 % der zuwendungsfähigen Ausgaben übernehmen. Und unsere Förderung ist kombinierbar mit anderen Fördergeldern: Eine Schule zum Beispiel hatte ein Erasmus+ Projekt, die dortige Förderung ist ausgelaufen. Aber die Partnerschulen wollten gerne noch eine Abschlussveranstaltung machen, diese haben wir ihnen gerne ermöglicht.
Pünktlich zum neuen Schuljahr habe ich die Formulare nochmal überarbeitet und verständlicher gemacht, und auch Werbung über Netzwerke, Konferenzen und E-Mailverteiler verbreitet. Zudem versuche ich zu eruieren, wie wir noch mehr an Förderschulen gelangen können und was sie von uns brauchen, um einen Austausch durchzuführen. Sodass wir hoffentlich im neuen Schuljahr vielen Schüler:innen einen Austausch ermöglichen können!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Christine Bertschi.