Die Welt der Künstlichen Intelligenz im Schulaustausch
Das multilaterale eTwinning-Projekt der Grundschule Netzschkau zeigt, wie komplexe Themen wie Künstliche Intelligenz, Internetsicherheit und Netiquette praxisnah und verantwortungsvoll in den Schulaustausch eingebunden werden können. Welche Vorteile und Herausforderungen bringt es, ein Online-Projekt interkulturell und international zu planen und durchzuführen, das technische, soziale und ethische Kompetenzen fördern soll und als Vorbild für innovative digitale Bildung dienen kann?
Warum Medienkompetenz und Digitalisierung in Schulen unverzichtbar sind
Die fortschreitende Digitalisierung stellt unser Bildungssystem vor neue Herausforderungen und Chancen. Besonders im Umgang mit Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) sehen Expert:innen dringenden Handlungsbedarf. Laut einer Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks geben 63 Prozent der Schüler:innen an, dass sie in der Schule zu wenig über die Chancen und Risiken von KI lernen. Gleichzeitig ist die Fähigkeit, digitale Medien kritisch zu hinterfragen und sicher zu nutzen, eine Schlüsselkompetenz in einer zunehmend digitalisierten Welt. Während 70 Prozent der Jugendlichen sich gut darauf vorbereitet fühlen, Informationen im Internet zu bewerten, fehlen nach Ansicht von 55 Prozent ausreichende Möglichkeiten, mit neuen Technologien und Tools zu experimentieren, etwa durch Programmieren oder den Einsatz von KI.
Das Deutsche Schulportal berichtet, dass sich die Länder "auf Empfehlungen zum „konstruktiv-kritischen“ Umgang mit KI in Schulen" einigen konnten und am 10. Oktober 2024 ein entsprechendes Dokument verabschiedet haben. Sie sehen darin vor, bereits in der Grundschule digitale Basiskompetenzen zu vermitteln und Schüler:innen für ethische und gesellschaftliche Fragen im Zusammenhang mit KI zu sensibilisieren. Besonders betont wird die Notwendigkeit, Chancengerechtigkeit zu fördern, indem datenschutzkonforme und barrierefreie KI-Anwendungen für alle Schulen zugänglich gemacht werden. KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot betonte, es gehe nicht nur um technisches Wissen, sondern auch darum, Kinder frühzeitig auf die Verantwortung im Umgang mit digitalen Medien vorzubereiten.
Projektziele und Ansatz: Von der Idee zur Praxis
„Die Inspiration für das Projekt kam durch die Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern, die etwas älter als unsere Schüler waren und bereits mehr Erfahrung mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) hatten,“ berichtet Frau Czech-Sharma, Lehrkraft an der Grundschule Netzschkau.
„Diese Partner schlugen auch vor, das Thema im Rahmen des Projekts aufzugreifen und mit den Kindern zu arbeiten. Unsere Schüler hatten zwar schon ein wenig von KI gehört, wussten aber noch nicht genau, was es bedeutet und wie diese Technologie funktioniert. Sie zeigten großes Interesse, mehr darüber zu erfahren und selbst mit KI zu arbeiten, weshalb sie sich sehr darauf freuten, dieses Thema weiter zu erkunden und praktisch zu nutzen.“
Czech-Sharma entwickelte das Projekt „Künstliche Intelligenz im Unterricht“ in Zusammenarbeit mit einer weiteren Schule in Deutschland, zwei Schulen in Polen und jeweils einer Schule in Kroatien, Italien und Spanien, um die faszinierende Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) zu erkunden. Deutsch diente dabei als gemeinsame Kommunikationssprache.
Durch interaktive Aufgaben und Workshops lernten die Kinder, was KI ist und wie sie funktioniert.
„Wir wollten das Thema durch interaktive Aufgaben und Workshops näherbringen, um sie für digitale Themen zu sensibilisieren. Die Schüler entwickelten dabei einfache KI-Anwendungen wie kleine Chatbots oder ein Bilderkennungssystem. Diese praxisorientierten Aktivitäten machten KI verständlicher, indem sie den Kindern zeigten, dass diese Technologie keine ‚magische‘ Kraft ist, sondern auf klaren Regeln und Daten basiert, die sie selbst beeinflussen können.“
Die Kombination aus Theorie und Praxis ermöglichte es den Schüler:innen, ein tieferes Verständnis für digitale Technologien zu entwickeln.
Internationale Zusammenarbeit: Vielfalt und Verantwortung
Ein besonderer Aspekt des Projekts war die internationale Zusammenarbeit.
„Unsere deutschen Schüler, obwohl sie jünger waren, galten in gewisser Weise als ‚Deutschexperten‘ und ‚Könner‘ in bestimmten Bereichen,“ erzählt die Lehrerin. „Sie hatten bereits wichtige Lese- und Schreibkompetenzen entwickelt, die es ihnen ermöglichten, aktiv bei der Gestaltung des Online-Unterrichts mitzuwirken. Sie brachten viele kreative Ideen ein und halfen dabei, den Unterricht und die Aufgabenstellung für die internationalen Teams zu strukturieren.“
Die Zusammenarbeit mit den sechs Klassen, teilweise aus anderen Ländern, ermöglichte es den Schüler:innen, verschiedene kulturelle Perspektiven kennenzulernen. „Es war spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an ein gemeinsames Thema sein können. Die Vielfalt der Ideen hat den Lernprozess ungemein bereichert.“ Besonders wichtig war dabei die gemeinsame Sprache Deutsch:
„Sie war ein entscheidender Faktor, der es den Schülern ermöglichte, unabhängig von ihrem Herkunftsland effektiv zu kommunizieren und sich auszutauschen. Das half nicht nur dabei, Sprachbarrieren zu überwinden, sondern legte auch den Fokus auf den inhaltlichen Austausch.“
Allerdings war die internationale Teamarbeit auch eine Herausforderung:
„Eine der größten Schwierigkeiten war die unterschiedliche Verfügbarkeit von technischen Ressourcen und Internetverbindungen in den verschiedenen Ländern. Das führte manchmal zu Verzögerungen oder erschwerte die Durchführung gemeinsamer Online-Sessions,“ erklärt Czech-Sharma. „Trotzdem konnten wir durch flexible Anpassungen und gute Kommunikation Lösungen finden.“
Die Schüler:innen lernten dabei wichtige Fähigkeiten wie interkulturelle Kommunikation, Teamarbeit und die Anpassung an unterschiedliche Arbeitsstile.
Medienkompetenz und ethische Sensibilisierung: Mehr als nur Technik
Ein zentrales Ziel des Projekts war die Vermittlung von Internetsicherheit und Netiquette.
„Wir haben zunächst im Internet recherchiert, um zu verstehen, was Netiquette ist und warum sie so wichtig ist. Ein Video gab den Schülern eine Einführung in die Grundlagen der respektvollen und sicheren Kommunikation im Internet,“ berichtet die Lehrkraft. „Zusätzlich hatten wir das Glück, einen Fachmann von der AOK einzuladen, der über die Risiken der digitalen Welt sprach und erklärte, wie man sich vor Cybermobbing oder Datendiebstahl schützen kann.“
Nach dieser theoretischen Einführung arbeiteten die Schüler:innen an interaktiven Rollenspielen und entwickelten in Gruppen Beispiele für sicheres Verhalten im Internet. „Durch diese Methoden konnten die Kinder spielerisch erkennen, wie sie ihre Privatsphäre schützen und respektvoll online kommunizieren können.“
Neben der technischen Kompetenz legte das Projekt auch großen Wert auf den ethischen Umgang mit KI.
„Wir haben Szenarien entwickelt, bei denen die Schüler über die Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft nachdenken mussten. Zum Beispiel diskutierten wir, wie eine KI in autonomen Fahrzeugen Entscheidungen treffen könnte, die das Leben von Menschen betreffen. Die Kinder formulierten in Gruppenarbeiten eigene Regeln für den verantwortungsvollen Einsatz von KI.“
Die Reaktionen der Schüler:innen waren durchweg interessiert und kritisch.
„Es war beeindruckend zu sehen, wie ernsthaft die Kinder über ethische Fragestellungen nachdachten und Verantwortung übernehmen wollten.“
Persönliche Reflexion und Empfehlungen der Lehrkraft
Czech-Sharma blickt zufrieden auf das Projekt zurück:
„Persönlich habe ich aus diesem Projekt eine tiefe Wertschätzung für die Möglichkeit gewonnen, mit Schülern auf eine so kreative und interaktive Weise über komplexe Themen wie Künstliche Intelligenz zu arbeiten. Es war besonders bereichernd zu sehen, wie neugierig und engagiert die Kinder waren, wenn sie selbstständig Lösungen entwickelten und sich mit ethischen Fragestellungen auseinandersetzten.“
Eine wichtige Erkenntnis war, dass Praxisorientierung und Eigeninitiative den Lernprozess erheblich bereichern: „Ich persönlich habe mitgenommen, dass es unglaublich wichtig ist, den Unterricht nicht nur auf Fakten und Theorien zu konzentrieren, sondern den Schülern auch praktische Erfahrungen zu ermöglichen. So können sie die Technologie nicht nur verstehen, sondern auch aktiv gestalten.“
Die Lehrkraft betont aber auch, dass Reflexion ein zentraler Bestandteil des Projekts sein sollte:
„Wenn ich das Projekt noch einmal durchführen würde, würde ich vielleicht noch mehr Zeit für die Reflexion der ethischen Aspekte einplanen und den Schülern mehr Raum für eigene Ideen und Lösungen bieten. Der Dialog über Verantwortung im Umgang mit KI könnte noch intensiver gefördert werden.“
Für andere Lehrkräfte, die ähnliche Projekte umsetzen möchten, gibt sie klare Empfehlungen: „Ein interaktiver und praxisorientierter Ansatz ist entscheidend. Der Einsatz von spielerischen und kreativen Methoden – wie das Nutzen von Chatbots, das Trainieren von KI-Modellen oder das Arbeiten mit digitalen Tools – fördert das Verständnis und macht die Technologie greifbar. Außerdem ist es wichtig, die Schüler von Anfang an in den Prozess einzubeziehen und sie bei der Entwicklung von Projekten und Ideen zu unterstützen, damit sie sich als kreative Gestalter und nicht nur als Konsumierende von Technologie sehen.“
Die Begeisterung der Schüler:innen lässt sich durch spannende und relevante Themen wecken:
„KI, digitale Medien und ethische Fragestellungen betreffen die Schüler direkt und zeigen ihnen, wie sie in einer digitalen Welt Verantwortung übernehmen können. Es ist auch wichtig, den Schülern zu vermitteln, dass Fehler und Herausforderungen Teil des Lernprozesses sind, sodass sie keine Angst davor haben, neue Technologien auszuprobieren und eigene Lösungen zu entwickeln.“
Anerkennung und Zukunftsaussichten
Das Projekt erhielt das eTwinning-Qualitätssiegel, was als besondere Anerkennung für die Arbeit aller Beteiligten galt. „Für mich als Lehrkraft bedeutet diese Auszeichnung, dass das Projekt qualitativ hochwertig war und den Schülern einen nachhaltigen Mehrwert bot,“ sagt die Lehrkraft.
Die Schule plant, weiterhin ähnliche Projekte umzusetzen.
„Zukünftige Themen könnten Nachhaltigkeit durch Technologie oder Virtuelle Realität umfassen. Ziel ist es, die Schüler:innen nicht nur technisch, sondern auch ethisch und gesellschaftlich auf die digitale Zukunft vorzubereiten.“