Peer Learning
In diesem Artikel legen wir den Schwerpunkt auf das Voneinander Lernen, dessen Zielgruppe Fachkräfte und Expert/-innen aus dem Jugendbereich sind. Die beschriebenen Aspekte können aber auch auf den Austausch von Lehrkräften oder Ausbilder/-innen übertragen werden. Die Erfahrungen aus der Praxis des Fachkräfteaustausches und Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien der letzten Jahre spielen dabei eine wichtige Rolle.
Peer Learning – Mehrwert für Fachkräfte und Organisationen
Peer-Learning-Prozesse haben einen Mehrwert, von dem Fachkräfte und Organisationen gleichermaßen profitieren. Ziele von Peer Learning sind die Weiterentwicklung von Praxis und Politik im Jugendbereich sowie die internationale Vernetzung von Organisationen. Die Themen für den gemeinsamen Lernprozess ergeben sich aus dem Arbeitsbereich der Beteiligten. Peer-Learning-Prozesse bieten mehr als nur einen Erfahrungsaustausch oder eine direkte Übertragung von Beispielen guter Praxis. Vielmehr geht es um die Gestaltung eines gemeinsamen Reflexionsprozesses. Ziel ist es, neue Perspektiven und Ideen für die eigene Praxis und Organisation zu gewinnen. Ebenso fördert dieser Lernprozess die interkulturelle Kompetenz, die eine wichtige Fähigkeit für Mitarbeiter/-innen in der Kinder- und Jugendhilfe ist. Die neuen Eindrücke und Fertigkeiten können die Mitarbeiter/-innen in ihren Arbeitsalltag einfließen lassen und so dazu beitragen, dass sich ihre Einrichtung oder Organisation international öffnet. Da Europa und die Globalisierung zunehmend Einfluss auf das Leben junger Menschen haben, ist diese Öffnung ein notwendiger Schritt in der Organisationsentwicklung.
Den Nutzen, den Fachkräfte und Organisationen aus Peer-Learning-Prozessen ziehen, belegen auch wissenschaftliche Studien aus den vergangenen Jahren. Gleichzeitig liefern diese Studien – neben den vielfältigen Erfahrungen aus der Praxis – wertvolle Hinweise für die Umsetzung von Peer-Learning-Aktivitäten1.
Was bedeutet das für die praktische Umsetzung?
Die erfolgreiche Durchführung eines Peer-Learning-Projekts stellt Anforderungen an alle beteiligten Akteure. Projektleiter/-innen und Teilnehmende, aber auch die betreffenden Organisationen haben ihren Teil dazu beizutragen, dass der Lernprozess gelingt und Früchte tragen kann. Die folgenden Aspekte tragen unserer Erfahrung nach zum Erfolg bei.
Voraussetzungen
- In der Beziehung zum internationalen Partner spielt nicht allein die Fachkompetenz eine entscheidende Rolle. Ebenso wichtig sind Verlässlichkeit und Partnerschaftlichkeit. Feste Ansprechpartner und die klare Absprache von Verantwortlichkeiten (eventuell sogar in Form einer schriftlichen Vereinbarung) gehören ebenfalls dazu.Eine gewachsene Partnerschaft bietet hier große Vorteile.
- Zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe gehört es, das Projekt gemeinsam mit dem Partner zu konzipieren und durchzuführen.
- Das volle Potential von Peer Learning kann sich nur mit Unterstützung der beteiligten Organisationen entfalten. Notwendig ist die Bereitschaft der Organisation, die von den Mitarbeiter/-innen mitgebrachten neuen Erfahrungen umzusetzen.
- Die Zusammensetzung der Lerngruppe orientiert sich an Thema und Ziel des Projekts. Vergleichbare – aber nicht unbedingte gleiche – Arbeitsfelder und Aufgabenstellungen sowie ein ähnliches Professionalitätsverständnis sorgen für eine produktive Mischung. Auch der Austausch zwischen unterschiedlichen Verantwortungsebenen kann befruchtend auf den Diskussionsprozess in der Gruppe wirken, solange keine direkten Hierarchien bestehen. Zu berücksichtigen sind auch internationale Unterschiede: Beispielsweise werden unter Umständen gleiche Tätigkeiten in einem Land von hauptamtlich Beschäftigen, im anderen Land von Ehrenamtlichen ausgeführt. Dies ist kein Nachteil, sondern eine Bereicherung.
Vorbereitung
- Bei der Vorbereitung ist es wichtig, sich mit dem Partnerland auseinanderzusetzen. Informationen zur allgemeinen Landeskunde, zur Struktur der Jugendhilfe und zu Fragen der Zuständigkeiten von Trägern (öffentlich/privat) und Ebenen (lokal/regional/national) spielen hier eine wichtige Rolle.
- Weiterhin gehören gruppendynamische Aktivitäten und eine interkulturelle Sensibilisierung zur Vorbereitung.
Durchführung
- Internationales Peer Learning bietet besondere Lernbedingungen. Die Teilnehmer/-innen lernen in einem interkulturellen Umfeld, am authentischen Ort und in der Begegnung mit ausländischen Kolleg/-innen. Der Einsatz von Methoden der non-formalen Bildung spielt eine zentrale Rolle.
- Das Lernen in einem Peer-Learning-Projekt geschieht nicht zufällig, sondern muss geplant und moderiert werden. Voraussetzung dafür ist eine ganzheitliche Kommunikation in der Gruppe. Nur so kann ein systematischer Reflexionsprozess in der internationalen Lerngruppe geschehen.
- Das Programm besteht aus mehr als einer Aneinanderreihung verschiedener Einrichtungsbesuche. Inputs und Einrichtungsbesuche sollten sich mit Möglichkeiten zum Austausch in der Gruppe abwechseln. Auch der unverplanten Zeit kommt hier eine große Bedeutung zu. Im informellen Austausch wird nicht nur die fachliche Diskussion weitergeführt und vertieft, hier bieten sich auch vielfältige Möglichkeiten für Begegnung. Auf diese Art und Weise geschieht ganzheitliches fachliches und interkulturelles Lernen. Auswertung und Reflexion sind ebenfalls wichtige Programmbestandteile.
- Ein Peer-Learning-Projekt kann als einzelnes Programm oder auch als mehrjähriges Projekt gestaltet werden. Grundsätzlich sind alle Formate geeignet, die einen systematischen Lernprozess in der Gruppe ermöglichen.
Nachbereitung
- Die Nachbereitung ist darauf ausgerichtet, die Ergebnisse zu dokumentieren und in der Praxis anzuwenden. Es ist wichtig, dass die beteiligten Partner bereits bei der Planung Fragen der Dokumentation berücksichtigen. Auch die Teilnehmenden müssen frühzeitig in diese Überlegungen einbezogen werden.
- Sinnvoll ist es, die Teilnehmenden im Prozess der individuellen Umsetzung ihrer Erfahrungen zu begleiten. Hier sind die Organisationen der Teilnehmenden gefragt, zum Beispiel, indem Raum und Zeit für die Verarbeitung der Ergebnisse sowie entsprechende Möglichkeiten zum Ausprobieren zur Verfügung gestellt werden.
Die Nachbereitung in den nationalen Gruppen kann durch ein separates Nachbereitungstreffen in zeitlichem Abstand zum Fachaustausch erfolgen. Als sinnvoll hat sich ein Nachbereitungstag als integraler Bestandteil des Programms erwiesen. Auch bei einem Programm im Ausland kann ein letzter Nachbereitungstag in Deutschland unproblematisch angehängt werden.
Autorinnen:
Claudia Mierzowski und Christiane Reinholz-Asolli, Referentinnen für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit bei IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Der Beitrag erschien erstmals in:
info - Magazin des Deutsch-Polnischen Jugendwerks, Nr. 1/2015 Berufliche Perspektiven für Junge Menschen in Deutschland und Polen, S.20-21
1 vgl. dazu Thimmel, Andreas/Riß, Katrin (2011): Binationaler Fachkräfteaustausch zum Thema Migration im deutsch-spanischen und deutschtürkischen Fachkräfteprogramm. In: Thimmel, Andreas/Chehata, Yasmine/Riß, Katrin (2011): Interkulturelle Öffnung der Internationalen Jugendarbeit.Gesamtbericht der wissenschaftlichen Begleitung zum Modellprojekt JiVE „Jugendarbeit international - Vielfalt erleben“
Thomas/Walther, Andreas (2015): Weiterentwicklung von Hilfen für benachteiligte Jugendliche beim Übergang in Ausbildung und Beruf durch Peer Learning von Fachkräften. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes transitions. Gelingende Übergänge in Ausbildung und Arbeit‘