Grenzüberschreitender Austausch als gemeinsamer Bildungsauftrag
Daniel Poli setzt sich als Geschäftsbereichsleiter „Qualifizierung und Weiterentwicklung der internationalen Jugendarbeit“ bei IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. seit Jahren für die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschulischen Partnern ein. Im Gespräch mit Austausch macht Schule erklärt er, warum dieser Bereich weiter unterstützt werden muss.
„Wenn Austausch Schule machen soll, muss die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern unterstützt werden.“ Stimmen Sie dieser These zu? Wenn ja, warum?
Ich stimme dieser These zu und würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Weil zunehmend internationale Erfahrungen und interkulturelle Kompetenz als Voraussetzungen gelten, sich in einer durch Vielfalt und Globalisierung geprägten Lebenswelt zurecht zu finden, ist es gerade auch ein wichtiges jugendpolitisches Anliegen, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit erhalten durch pädagogisch begleiteten Austausch grenzüberschreitende Lernerfahrung zu machen.
Dies kann aber nicht allein nur Aufgabe eines Bildungssegments sein. Sowohl Schule als auch Jugendarbeit müssen hier einen Beitrag leisten. Für Schulen besteht in der Zusammenarbeit der Vorteil, dass Lehrkräfte vom Methoden- und Inhaltsspektrum der Jugendarbeit profitieren und dadurch neue Impulse und Ideen zur Bereicherung des Unterrichts erhalten. Sie können bei außerschulischen Aktivitäten Unterstützung erfahren und durch die Kooperation mit Internationaler Jugendarbeit auf bestehende und hoch qualifizierte Angebote zurückgreifen. Analog zu Angeboten der kulturellen Bildung oder des Sports, die im Rahmen von Ganztagsschulvereinbarungen am Lernort Schule stattfinden, können auch grenzüberschreitende Austauschprojekte gemeinsam mit außerschulischen Partnern durchgeführt werden.
Darüber hinaus kann auch das Schulprofil positiv durch neue Mobilitätsangebote entwickelt werden und damit das Bildungsangebot an der Schule attraktiv gestaltet werden. Auf Seiten der Internationalen Jugendarbeit besteht der Vorteil in der Kooperation neue Zielgruppen zu erreichen und die Angebote bekannter zu machen. Dadurch wird bei allen Akteuren die Bereitschaft erhöht, grenzüberschreitenden Austausch als gemeinsamen Bildungsauftrag zu verstehen und gemeinsam zu gestalten.
Wie kann erreicht werden, dass mehr Schulen und außerschulische Partner im internationalen Jugend- und Schüleraustausch miteinander kooperieren?
Zunächst ist es wichtig,die Ermöglichung grenzüberschreitender Mobilität für alle jungen Menschen unabhängig von kultureller und sozialer Herkunft, Behinderung und Bildungsgrad als eine gemeinsame Aufgabe von Schule und Jugendarbeit zu verstehen. Hierfür sind die gemeinsame Plattform „Austausch macht Schule“ und ihre Veranstaltungen ein wichtiger Schritt.
Darüber hinaus müssen vor allem auf Seiten der formalen Bildung die Angebote, Möglichkeiten und auch Methodik der Internationalen Jugendarbeit bekannt gemacht werden und gleichzeitig müssen auch strukturelle Hemmnisse abgebaut werden.
Hier geht es vor allem auch um Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten, wie es sie beispielsweise in der Kooperation mit kultureller Bildung und des Sports bereits gibt. Politische Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, damit Kooperationen ermöglicht werden können. So sind die Zuständigkeiten von Ministerien und Verwaltungen zu klären und es muss für eine Offenheit in der Zusammenarbeit geworben werden. In einigen Bundesländern gibt es hierfür bereits gute Beispiele; vereinzelt werden schon entsprechende Fördermöglichkeiten für eine Kooperation von Schule und Jugendarbeit bereitgestellt. Einheitliche Rahmenbedingungen gibt es jedoch bisher nicht.
Wie kann solch eine Kooperation gestaltet werden? Gibt es Beispiele erfolgreicher Zusammenarbeit?
Eine erfolgreiche Kooperation muss auf Augenhöhe stattfinden. Dabei ist es wichtig, dass alle Akteure auch ein entsprechendes Wissen über den jeweils anderen Bildungsbereich mitbringen oder erlernen. Lehrerinnen und Lehrer müssen die Methodik, Struktur und Inhalte non-formaler Ansätze kennen und eine entsprechende Offenheit mitbringen. Akteure der Internationalen Jugendarbeit müssen ihrerseits auf die Kooperation mit Schule vorbeireitet werden und die Spezifika des Lernorts, seine Struktur und auch Hierarchien mit berücksichtigen.
Wichtig ist, dass die Eigenständigkeit der Jugendarbeit erhalten bleibt und wichtige Prinzipien wie Freiwilligkeit, Partizipation und Ressourcenorientierung gewahrt und nicht im formalen Curriculum der Schule aufgehen. So hat das von IJAB in den Jahren 2009 bis 2012 durchgeführte Modellprojekt Interkulturelles Lernfeld Schule (IKUS) gezeigt, wie eine Kooperation erfolgreich gelingen kann: Tandems bestehend aus schulischen und außerschulischen Partnern haben konkrete Beispiele und wirkungsvolle Ansätze erprobt und gemeinsam neue Module entwickelt, die im Rahmen schulischer Aktivitäten eingesetzt und modellhaft für neue Kooperationsprojekte genutzt werden können.
Viele der initiierten Partnerschaften existieren bis heute und es konnten nachhaltige Netzwerke geschaffen werden, die das Modell IKUS verbreiten und konkrete Projekte in der Zusammenarbeit von Schule und Internationaler Jugendarbeit angeregt haben.
Vielleicht können Sie Bilanz ziehen: Was wurde schon erreicht? Woran muss noch gearbeitet werden?
Es wurde durch verschiedene Modellprojekte bereits viel erreicht, um zu zeigen, welche Möglichkeiten und Chancen sich durch eine Zusammenarbeit für beide Seiten eröffnen. Sicherlich leistet die Plattform „Austausch macht Schule“ einen wichtigen Beitrag, diese Potentiale auf verschiedenen Ebenen sichtbar zu machen und unterschiedliche Akteure motivieren, der Zusammenarbeit von Schule und Internationaler Jugendarbeit in Zukunft mehr Raum zu geben, um neue Projekte anzustoßen.
In diesem Zusammenhang sind beispielsweise das Förderprogramm Fokus des DFJW zu sehen, dass explizit Austauschmaßnahmen in Kooperation von Schulen und Vereinen ermöglichen möchte. Auch das Projekt Zusammen kommen wir weiter des DPJW, das an das Modell „Kooperation von Schulen und Bildungsstätten im außerschulischen Jugendaustausch“ anschließt, zeigt, dass die Kooperation ein wichtiges Zukunftsthema ist, um allen jungen Menschen Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Austauschs zu bieten.
Doch weiterhin besteht hier Entwicklungspotential, das beispielsweise in der von IJAB veröffentlichten Synopse zu den Fördermöglichkeiten der Bundesländer für die Zusammenarbeit von Internationaler Jugendarbeit und Schule zusammengefasst wurde.
Die bisherigen Kooperationen zeigen, dass die politischen und institutionellen Rahmenbedingungen zu verbessern sind, damit die Zusammenarbeit zwischen Internationaler Jugendarbeit und Schule im Sinne von klaren bildungspolitischen Zielsetzungen und eindeutigen Zuständigkeiten der Ressorts initiiert werden kann. Es müssen in diesem Sinne einheitliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine angemessene finanzielle Förderung und eine qualifizierte Zusammenarbeit zwischen Internationaler Jugendarbeit und Schule ermöglichen. Entsprechend gestaltete Förderrichtlinien spielen dabei eine wichtige Rolle.
Vor allem die Träger der außerschulischen Jugendbildung benötigen ausreichende finanzielle Mittel, die sie in die Lage versetzen, ihre Eigenständigkeit in Bildungskooperationen mit Schule zu bewahren. Da Aktivitäten der internationalen Jugendarbeit meist in Verbindung mit Auslandsaufenthalten höhere Kosten verursachen, die die für Bildung zuständigen Bundesländer bisher nur bedingt finanzieren, besteht hier ein besonderer Handlungsbedarf.