Das Deutsch-Indische Klassenzimmer

Nachgefragt bei
Eve Nagel und Jane Neugebauer
Deutsch-Indisches Klassenzimmer

Das Deutsch-Indische Klassenzimmer initiierte und förderte von 2011 bis 2017 Schulpartnerschaften. Die Erfahrungen aus diesem Projekt sind nun in einer Publikation zusammengefasst – und das Deutsch-Indische Klassenzimmer lebt auch auf andere Weisen weiter.

Eve Nagel, Projektmanagerin Völkerverständigung Amerika und Asien bei der Robert Bosch Stiftung und Jane Neugebauer, Verantwortliche für Interkulturelle Bildungsprojekte und Trainings bei InterCultur, stellen uns Projekt und Publikation vor.

Können Sie das Deutsch-Indische Klassenzimmer kurz vorstellen?

Jane Neugebauer (InterCultur)

Jane Neugebauer: Das Deutsch-Indische Klassenzimmer (DIK) war ein Gemeinschaftsprojekt der Robert Bosch Stiftung und des Goethe Instituts Max Mueller Bhavan in Neu Delhi. Schülerinnen und Schüler aus jeweils deutschen und indischen Schulen arbeiteten über ein gesamtes Schuljahr an einem meist fächerübergreifenden Projektthema zusammen. Die Zusammenarbeit fand über digitale Medien und im Rahmen je einer Austauschbegegnung in Deutschland und in Indien statt.

Im Zeitraum von sechs Jahren konnten durch das Deutsch-Indische Klassenzimmer 80 Schulpartnerschaften und beinahe 3.000 Teilnehmende gefördert werden. Ziel war es über das Deutsch-Indische Klassenzimmer hinaus nachhaltige Schulpartnerschaften zwischen deutschen und indischen Schulen zu etablieren. Durch die Projektarbeit sollten die Programmteilnehmenden in einen aktiven fachlichen Wissensaustausch einen kultursensiblen Umgang in der Zusammenarbeit über Kontinente hinweg erleben und erlernen.

Das Projekt ist nun abgeschlossen. Weshalb hat die Robert Bosch Stiftung es gefördert, und was haben Sie aus den sechs Jahren Projektarbeit mitgenommen?

Eve Nagel (Robert Bosch Stiftung)

Eve Nagel: Die Robert Bosch Stiftung misst dem Thema Internationale Bildung einen hohen Stellenwert bei. Austauschprogramme ermöglichen einen Perspektivwechsel, erweitern den eigenen Horizont, helfen Vorurteile abzubauen, fördern Engagement und Teilhabe. Dabei erzielen Austausche eine Wirkung auf die Beziehungen zwischen einzelnen Ländern, aber auch auf die eigenen Gesellschaften. Gerade junge Menschen sind der Schlüssel für ein nachhaltiges, stabiles und verständnisvolles Miteinander, das es braucht um globale Herausforderungen wie Klimawandel, Migration oder Urbanisierung gemeinsam angehen zu können. Die Schülerinnen und Schüler, die in den vergangenen sechs Jahren an diesem Projekt teilgenommen haben, sind wichtige Botschafter und Multiplikatoren, und wir sind überzeugt, dass sie durch den Austausch und die gemeinsame Projektarbeit wertvolle Impulse für ihren zukünftigen Lebensweg und die gemeinsame Gestaltung einer nachhaltigen Welt erhalten haben.

Die Publikation zum Abschluss des DIK bietet auf 125 Seiten nicht nur Rückblicke auf sechs Jahre Projektgeschichte, sondern kann auch ähnlichen Vorhaben in der Zukunft eine Hilfe sein. Was genau ist der Mehrwert dieser Publikation, wer soll sie sich anschauen, was kann man daraus mitnehmen?

Neugebauer: Diese Publikation dient als Nachschlagewerk zur Gestaltung von projektbasierten Schulaustauschen und -partnerschaften. Sie gibt Förderern, Schulen, Lehrkräften und Projektbegleitung Tipps und Inspirationsanstöße in der Durchführung ihrer eigenen Projektvorhaben. Es kommen alle beteiligten Gruppen zu Wort: von den Schülerinnen und Schülern über Lehrkräfte und Schulleitungen, den begleitenden Institutionen bis hin zu Expertinnen und Experten aus der Branche.

Nagel: Die Publikation ist zudem zweisprachig und somit für alle Teilnehmer*innen, aber auch für Akteure in der internationalen Bildung über Deutschland hinaus zugänglich.

Neugebauer: Die Expert*innen unterstreichen in dieser Publikation den persönlichen und gesellschaftlichen Mehrwert von Schülerbegegnungen, insbesondere über die europäischen Grenzen hinaus. Durch die Interviews und Erfahrungsberichte können sich die Leserinnen und Leser für ihre eigene Arbeit inspirieren lassen. Sie erhalten Einblick in die unterschiedlichen Dimensionen eines Schulaustauschs, der von den persönlichen Erfahrungen über die direkte Projektgestaltung bis hin zu den langfristigen Auswirkungen des Schulaustauschs auf beiden Seiten reicht. Im Dokumentationsteil werden die Vorgehensweisen von ausgewählten Schulpartnerschaften dargestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt jeweils auf unterschiedlichen Phasen der Projektarbeit. In der Toolbox werden praktische Hinweise zur konzeptionellen Gestaltung des gesamten Deutsch-Indischen Klassenzimmers (z. B. Gestaltung von Auswahlkommissionen und Erstkontaktreisen) oder etwa zur pädagogischen Begleitung der Austauschbegegnung, der Zusammenarbeit unter den Schülerinnen und Schüler über ein gesamtes Schuljahr und konkrete Methoden für die Projektarbeit vorgestellt.

Diese Toolbox macht fast die Hälfte der Publikation aus. Warum war dieser Schwerpunkt wichtig?

Nagel: Die Toolbox bündelt die wertvollen Erfahrungen aus über 80 Schulpartnerschaften und möchte diese auch Akteuren zugänglich machen, die nicht unmittelbar beteiligt waren. So sorgen wir dafür, dass die gesammelte Expertise nicht verloren geht und über dieses Projekt hinaus geteilt werden kann. Viele der Tipps und Empfehlungen von deutscher und indischer Seite dienen als Hilfestellung für die Projektarbeit in interkulturellen Kontexten und sind somit auch über das DIK hinaus für Schulen und Bildungsakteure in Deutschland, aber zum Beispiel auch in China oder den USA geeignet.

Die Toolbox bietet für Schulen, Lehrerkräfte, aber auch für Vereine und andere Akteure in der internationalen Bildungsarbeit viele wertvolle Empfehlungen, die von Packlisten für Erstkontaktreisen über Hinweise zur Themenentwicklung und Methoden in internationalen Projektarbeiten bis hin zur Rolle und Einbindung von Öffentlichkeitsarbeit reichen.

Was genau war beim DIK die Aufgabe von InterCultur?

Neugebauer: InterCultur hat die Schulpartnerschaften in der Projektkonzeption und Antragsstellung für das Deutsch-Indische Klassenzimmer beraten und begleitet. Im Rahmen der Schulpartnerschaften führten wir jeweils in Deutschland und Indien für alle beteiligten Lehrkräfte Seminare durch, die für die interkulturelle Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts sensibilisieren sollten. Gleichzeitig erhielten die Lehrkräfte praktische Tipps und Hinweise zur pädagogischen Begleitung ihrer Schülerinnen und Schüler während des Austauschs.
Ich erinnere mich noch daran, dass einmal seitens einer deutschen Schule bemängelt wurde, dass man in Indien so viel mit dem überklimatisierten Bus rumgekarrt werden würde und es schön gewesen wäre, auch öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Wenige Wochen später waren meine Kollegin und ich in Indien. Die indische Seite erzählte uns, dass sie ständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei 30 Grad im Schatten durch Berlin fahren mussten und sie doch in Indien bei so einer Hitze extra einen klimatisierten Bus organisiert hatten. Solche unterschiedlichen Perspektiven zeigen mir, wie wichtig eine gute Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen zwischen den jeweiligen Schulen für eine gelungene Schulpartnerschaft sind. Ich bin froh, dass InterCultur dabei die Schulpartnerschaften unterstützten und beraten konnte.

Das Projekt ist nun nach sechs Jahren zu Ende gegangen. Können Sie einschätzen, auf welche Weise das Projekt nachhaltig wirkt? Welchen Impuls glauben Sie mit diesem Projekt gesetzt zu haben?

Nagel: Viele der Schulpartnerschaften in diesem Projekt sind durch eine wiederholte Teilnahme gewachsen und gestärkt worden. Es sind echte Freundschaften zwischen Schüler*innen, Eltern, Lehrkräften und Schulleiter*innen entstanden. Viele Schulen in beiden Ländern wünschen sich auch nach unserer Förderung eine weitere Zusammenarbeit und streben langfristige Verbindungen an. Unser Projekt hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, und in vielen Fällen den Grundstein für diese Zusammenarbeit gelegt. Schulen wissen nun besser um die Bedeutung des persönlichen Kontakts zwischen Schulleiter*innen sowie um die Herausforderungen durch kulturelle Unterschiede. Wir hoffen, dass mit der Unterstützung durch unsere Toolbox die Anzahl der Schulpartnerschaften weiter zunehmen wird.

Neugebauer: Durch das Deutsch-Indische Klassenzimmer kamen einige Schulen erst auf die Idee, einen Austausch mit Deutschland bzw. Indien aufzubauen. So war das Projekt auch ein Initialfunke. Die Idee, einen Austausch nicht nur auf ein oder zwei Begegnungen zu begrenzen, sondern mit einem selbst gewählten Projektthema über ein gesamtes Schuljahr auch digital zusammen zu arbeiten, hat die Schulpartnerschaften gefestigt.

Wir wissen von einigen Schülerinnen und Schülern, dass sie durch den Austausch ein nachhaltiges Interesse am Partnerland entwickelt haben und beispielsweise ein FSJ in Indien gemacht oder ein gar ein Studium in Deutschland aufgenommen haben.

 

Veröffentlicht am: 11.04.2018