Begegnungen von Mensch zu Mensch stärken
Die Sanddorf-Stiftung fördert unter anderem Schülerfahrten nach Polen. Seit ihrer Gründung im Jahre 2011 waren es 20 Austauschprojekte mit Polen – „in den kommenden Jahren können es gerne mehr werden“, erklärt Geschäftsführerin Birgit Hahn im Interview mit Michael Teffel vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk.
Wie ist die Sanddorf-Stiftung entstanden und welche Ziele verfolgt sie?
Die Stiftung ist im Jahre 2011 auf Initiative der Stifterin Erika Vielberth errichtet worden. Der Name Sanddorf ergibt sich aus einer deutsch-polnischen Übersetzung des Mädchennamens der Stifterin. Frau Vielberth interessiert sich für Polen, fühlt sich den Menschen unseres Nachbarlandes verbunden und hatte dort schöne persönliche Begegnungen.
Es ist der erklärte Wunsch der Stifterin, das gegenseitige Verständnis von Menschen aus Deutschland und Polen füreinander zu fördern. Die Stiftung möchte dabei vor allem bei jungen Menschen ansetzen und diese für Polen begeistern, da Polen als Land unserer Erfahrung nach immer noch oft einseitig mit negativen Aspekten assoziiert wird. Es geht also darum, einen offenen Blick auf unseren Nachbarn zu fördern.
Die Stiftung ist insgesamt in den drei Bereichen Völkerverständigung, Gesundheit und Wohlfahrt tätig. Der Bereich Völkerverständigung beschäftigt sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich, mit deutsch-polnischen Beziehungen. Es werden grundsätzlich auch Projekte mit anderen osteuropäischen Ländern gefördert.
Mit der Förderung der Schülerfahrten nach Polen wollen wir ganz bewusst bei der jungen Generation ansetzen, um dieser ein neues Polenbild zu vermitteln. Hier möchte die Stiftung ihre Aktivitäten in Zukunft ausbauen und neben finanzieller Förderung auch Material und Kontakte zur Verfügung stellen, um noch mehr Lehrer*innen für Polen zu begeistern. Ein wichtiger Aspekt in dieser Sache ist die Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk.
Welche Begegnungserfahrung hat Sie persönlich am stärksten geprägt? Gab es besondere Projekte, die die Stiftung gefördert hat?
Ich selbst habe 20 Jahre in Berlin gelebt und dort im Rahmen meines Studiums der Politikwissenschaften viele junge Menschen aus Polen kennengelernt, die ich als sehr offen und international orientiert erlebt habe. Mir ist damals klar geworden, dass die oft negativen Stereotypen nicht zu den persönlichen Begegnungen passen. So ist es mir auch jetzt im Rahmen meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin wichtig, ein differenziertes Polenbild zu vermitteln und Möglichkeiten für solche konkreten Begegnungen zu schaffen.
Ein besonderes Projekt, welches die Stiftung derzeit fördert, ist die Website „Polen in der Schule“, welche vom Deutschen Polen Institut aufgebaut wurde. Die Website soll LehrerInnen dabei unterstützen, Polen im Unterricht zum Thema zu machen, indem es Arbeitshilfe, landeskundliche Informationen und weiterführende Literatur zur Verfügung stellt.
Ein Bereich der uns besonders am Herzen liegt, ist natürlich die Unterstützung von Schülerfahrten nach Polen.
Inwiefern profitieren deutsche Schüler und Schülerinnen von Jugendbegegnungen in Polen? Und welche Unterstützung brauchen dafür die Schulen?
Ich glaube, der wichtigste Effekt einer Jugendbegegnung ist die Tatsache, dass junge Menschen andere junge Menschen vorbehaltlos kennenlernen. Auch ich hatte das Glück, das bei einem Jugendaustausch so zu erleben. Gerade diese vorbehaltlose Annäherung an eine andere Kultur ist so wichtig, weil junge Menschen so einen persönlichen Zugang finden, Vorurteile und Stereotypen abbauen und lernen Vorurteile zu hinterfragen. Begegnung, persönliche Kontakte und Freundschaften sind eine wichtige Basis für ein besseres Verständnis unseres Nachbarlandes.
Ich bin der Meinung, dass interkulturelle Kompetenz in einer immer mehr zusammenwachsenden Welt eine absolute Schlüsselkompetenz ist. Wenn wir also davon ausgehen, dass junge Menschen interkulturelle Kompetenzen brauchen, dann ist es ein klarer Auftrag von Schule, diese zu vermitteln. Diese Kompetenzen bekommen junge Menschen aber nicht aus Büchern, es braucht dazu die Begegnung.
Neben Geld als offensichtlichstem Faktor braucht es vor allem Lehrer*innen, die sich für das Land Polen interessieren. Diese brauchen wiederum strukturelle Hilfestellungen:
- Wo genau soll es hingehen?
- Wie baue ich ein gutes Programm auf?
- Wie wecke ich bei meinen Schüler*innen Interesse für Polen?
- Wo und wie kann ich Begegnungen organisieren?
Hier wollen wir noch bessere Unterstützung leisten.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in der Sanddorf-Stiftung aus?
Im Grund bin ich viel im ganz normalen Büro-Management tätig. Die Antragsbearbeitung ist dabei natürlich eine zentrale Angelegenheit. Aber ich arbeite auch mit interessanten Menschen zusammen, die sich sehr für unsere Themen interessieren, telefoniere, treffe mich mit anderen Akteuren, bin sozusagen am „Netzwerken“. Dabei ist es wichtig, immer wieder Menschen und Institutionen zu finden, mit denen wir gute und nachhaltige Projekte machen können. Außerdem entwickeln wir immer auch eigene Projektideen.
Alles in allem geht es darum, Menschen zu erreichen und zusammenzubringen, um unsere finanziellen Fördermittel sinnvoll einzusetzen. Vor allem junge Menschen sollen am Anliegen der Stiftung teilhaben!
Können Sie noch etwas näher auf Förderentscheidungen und Antragsbearbeitung eingehen?
Seit 2012 haben wir über 20 Schülerfahrten nach Polen gefördert. In den kommenden Jahren können es gerne mehr werden! Wir freuen uns über jeden guten Antrag, der uns in dieser Sache erreicht. Ein solcher Antrag zeigt klar auf, warum diese Klasse nach Polen fährt, was dort passieren soll und wie der direkte Austausch gefördert wird.
Wenn ich beim Lesen ein echtes Interesse am Nachbarland spüre, merke, dass sich jemand Gedanken gemacht hat und wenn Austausch und Begegnung wirklich gefördert werden, dann habe ich einen guten Antrag vor mir.
Natürlich muss sich der Antrag auch an unseren Förderrichtlinien orientieren. In diesem Zusammenhang ist es uns aber wichtig, so wenig Bürokratie wie möglich aufzubauen, um keine weiteren Hürden für eine Fahrt nach Polen zu schaffen.
Was sind nach Meinung der Stiftung die wesentlichen aktuellen Herausforderungen im deutsch-polnischen Verhältnis?
Die Sanddorf-Stiftung versteht sich als neutrale Institution, das bedeutet, wir sind keiner politischen Partei zugeneigt. Es geht uns immer um den Menschen als Basis für die Gesellschaft. Aber natürlich beeinflusst die aktuelle politische Situation in Polen und die damit einhergehende mediale Berichterstattung leider auch die persönliche Verständigung.
Damit vor allem junge Menschen trotz allem offen bleiben, braucht es genau jetzt Begegnungen von Mensch zu Mensch. Diese können Menschen stärken und ihnen die Kraft geben, ihre jeweiligen Gesellschaften von innen heraus zu verändern.
Liebe Frau Hahn, vielen Dank für dieses Interview.