Internationale Projekte, die fachlich zur Schule passen
An Berufsschulen lässt sich projektbasierter internationaler Schulaustausch mit fachlichem Wissen verbinden. So plant etwa die Berufliche Schule Energietechnik Altona in Hamburg, eine Schulpartnerschaft mit Mosambik aufzubauen und vor Ort Projekte mit Photovoltaik oder Solarenergie umzusetzen.
Mosambik ist ganz schön weit weg von Hamburg. Trotzdem will Matthias Pieper eine Schulpartnerschaft mit dem Land in Südostafrika, am Indischen Ozean, aufbauen. Der Abteilungsleiter für Berufsschule und Berufsqualifizierung an der Beruflichen Schule Energietechnik Altona in Hamburg nahm an einer Anbahnungsreise von ENSA, dem Entwicklungspolitischen Schulaustauschprogramm der Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), teil.
Eine neue Partnerschule in Mosambik
Bisher gibt es an seiner Schule lose Angebote zum internationalen Schulaustausch, erzählt Matthias Pieper: Erasmus+ nach Frankreich, eine Partnerschule in den Niederlanden. „Es handelt sich dabei eher um Schulbesuche, unserer Fachrichtung entsprechend steht die Elektrotechnik im Vordergrund.“ Nun soll eine Kooperation mit einer Schule in Mosambik hinzukommen. Welche Schule genau das sein wird, ist noch nicht klar: „Wir haben uns in Mosambik diverse Schulen, Berufsschulen und Universitäten angeguckt. In Frage kämen zwei Schulen: eine Hochschule in der Hauptstadt und eine Industrieschule in einer ländlichen Gegend“, erzählt er.
Bei den potentiellen Partnern handelt es sich um staatliche Schulen, und bei den Schüler*innen nicht um die Reichsten des Landes. „Berufsausbildungen sind in Mosambik noch nicht so weit entwickelt, es wird nicht unbedingt auf festgelegte Berufe hingearbeitet. Es gibt aber Berufsschulen, wo einjährige Ausbildungen abgeschlossen werden können“, beschreibt der Hamburger Lehrer die Situation in seinem Partnerland.
Die Landessprache Portugiesisch wird für die Hamburger eine Herausforderung sein: „Englisch ist in Mosambik wenig verbreitet, ohne Dolmetscher wird nicht viel gehen“, so Matthias Pieper. Doch in den geplanten Projekten werde es um viel mehr als nur Sprache gehen: Entwicklungszusammenarbeit, Wissenstransfer in beide Richtungen, seine Azubis sollen ihre Fachkenntnisse anwenden und auch ihren eigenen Horizont erweitern können.
Globale Lernpartnerschaften
Zehn weitere Lehrer*innen aus fünf Hamburger Berufsschulen reisten im Frühjahr zusammen mit Matthias Pieper (rechts hinten im Gruppenbild) für zwei Wochen nach Mosambik. Im Rahmen der Länderinitiative des BMZ und über Engagement Global engagiert sich das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Globales Lernen (GL) in der Beruflichen Bildung. Dabei beteiligen sich derzeit fünf Hamburger Berufsschulen an sogenannten Umsetzungsprojekten, in denen sie Schulpartnerschaften zu Ländern des afrikanischen Kontinents aufbauen und pflegen. Ziel ist die Integration von BNE und GL in die Lernfelder an den beteiligten Schulen. Ein Projektkoordinator vom HIBB begleitet und unterstützt die Schulen bei den Koordinierungsarbeiten.
Das Konzept der Globalen Lernpartnerschaften Hamburger Berufsschulen wurde bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit zwei Schulpreisen des Bundespräsidenten. Außerdem wurden die Aktivitäten als Netzwerk für Globales Lernen im Rahmen des Weltaktionsprogramms durch die Deutsche UNESCO Kommission und das BMBF gewürdigt.
Mosambik hat in Hamburg Tradition
Der Austausch mit Mosambik hat an Hamburger Berufsschulen bereits Tradition: Seit 2002 bestehen Partnerschaftsaktivitäten, seither erfolgten zehn Projektreisen mit Schüler*innen nach Mosambik sowie insgesamt zwölf Gegenbesuche der Partner in Hamburg. Dieses Jahr fand nun die zweite Lehrerreise nach Mosambik statt: Drei neue Hamburger Berufsschulen wurden dafür mit ins Boot geholt, zwei bereits beteiligte Schulen konnten vor Ort ihre Kontakte vertiefen und ihre Schülerreisen für den Herbst vorbereiten.
Etwas Kleines, Machbares finden
Mosambik ist eines der ärmsten Länder der Welt. „Ich habe nicht die Erfahrung gemacht, dass das Land unsere Hilfe braucht. Es ist eine andere Art zu leben, aber die Leute sind nicht unzufriedener. Wir wurden viel herumgeführt: Bildungsministerium, Schulen, wir haben auch Freundschaften zu Lehrern geschlossen“, erzählt Matthias Pieper. Gleichzeitig bekam die Reisegruppe aus Hamburg auch die Kontinuitäten der klassischen Entwicklungshilfe zu spüren: Mit den Worten „Hier ist das Dach kaputt“ wurden sie an einer Schule empfangen. „Nach einer kurzen Gesprächsphase wurde allen klar, dass wir eine globale Lernpartnerschaft aufbauen und nicht finanziell unterstützen wollen“, so Matthias Pieper.
„Wir wurden überall überschwänglich empfangen“, erzählt der Hamburger Lehrer. Doch der Wunsch nach Kooperationen sei eher verhalten gewesen. „Wir haben auch viel gesehen, was schief gelaufen ist in der Entwicklungszusammenarbeit“, bedauert er. Etwa modernste Geräte, die von der Weltbank finanziert wurden, aber zu deren Handhabung niemand geschult wurde. Daher stehen sie jetzt unbenutzt rum. „Wir müssen für uns etwas Kleines, Machbares finden. Und es muss gemeinsam laufen, wir können nicht wissen, was die Leute wollen und brauchen“, erklärt Matthias Pieper. Die Projekte sollen fachlich zu seiner Schule passen: Photovoltaik oder Windkraft etwa. „Wir wollen aber nichts vorgeben, sondern nur mit einer groben Projektidee hinfahren“, betont er.
Projekte von beiden und für beide Seiten
„Über ENSA werden wir gut betreut“, so Matthias Pieper. In einem Vorbereitungsseminar behandelten die elf Lehrer*innen Themen wie
Vorurteile, Privilegien und Rassismus. Und nach der Reise nahmen sie für ein Wochenende an einem Nachbereitungsseminar teil. In den Schulen bilden sich jetzt Projektgruppen, die die Kooperationsbestrebungen vorantreiben. Im Herbst findet dann ein Qualifizierungsseminar zu Globalem Lernen statt.
2019 ist der Gegenbesuch der Schulvertreter geplant, 2020 ein erstes Schülerprojekt und ein -austausch. „Wo dieses stattfinden wird, ist noch offen. Wahrscheinlich werden wir Schüler entsenden, da dies einfacher ist. Trotzdem soll es gleichberechtigt werden, keine Entwicklungshilfe. Das ist auch das Ziel von ENSA: die Projekte sollen für beide Seiten gleich gut sein, von beiden zusammen gestaltet werden“, erklärt Matthias Pieper.
Good Practice: Werkstattwagen und FSJlerin
Während für die teilnehmenden Lehrkräfte die Austauschprojekte mit Mosambik noch Zukunftsmusik sind, durften sie sich schon ein Bild von erfolgreichen Beispielen machen: In einer festlichen Veranstaltung wurde in Maputo ein Werkstattwagen an eine Schule übergeben. Mit diesem Werkstattwagen kann sie ihr Konzept – die Schulmöbelreparatur als Werkunterricht im Curriculum zu verankern – auch an andere Schulen vermitteln. Dieses Unterrichtskonzept geht auf eine Initiative von Schüler*innen der Hamburger Beruflichen Schule Holz, Farbe, Textil zurück, die 2006 bei einem Partnerschaftsbesuch an einem halben Tag mit mosambikanischen Schüler*innen 45 Schulmöbel instand setzten. Der Werkstattwagen war eine Spende aus Deutschland, und bevor er nach Mosambik verschifft wurde, hat ihn die Abteilung Farbtechnik der Berufsschule im Unterricht neu lackiert.
Ein Programmpunkt hat bei Matthias Pieper besonders viel Hoffnung auf den Austausch geweckt: In Maputo, der Hauptstadt, besuchte die Reisegruppe den Einsatzort einer jungen Tischlerin aus Hamburg. Sie war vorletztes Jahr Teilnehmerin einer Austauschreise ihrer Berufsschule und hat sich daraufhin entschieden, nach abgeschlossener Ausbildung für ein Freiwilligen Soziales Jahr in Maputo zu arbeiten.
Lust aufs Ausland machen
„Wir hoffen auf Azubis, die Lust aufs Ausland bekommen. Unsere Schüler haben große Ängste ins Ausland zu gehen, begründet sind diese auf Vorurteile und Unsicherheiten. Bei einem Austauschprojekt mit Frankreich hatte erst keiner Lust, mit den Franzosen nach der Schule einen Stadtspaziergang zu machen, alle murmelten etwas von Feierabend und müde. Es brauchte etwas Überzeugungsarbeit, aber danach waren sie sehr begeistert und wollten gar nicht mehr nach Hause. Sie müssen angeschubst werden. Unsicherheit und Bequemlichkeit sind groß“, so der Lehrer.
Entsenden will Matthias Pieper keine ganzen Klassen, sondern nur diejenigen, die darauf Lust haben. Er plant dafür eine schulinterne Ausschreibung. Welches Ausbildungsjahr dafür am besten geeignet ist, überlegt er sich noch: Die Schüler*innen sollten schon fachliche Kenntnisse mitbringen, aber auch noch nicht direkt vor den Abschlussprüfungen stehen.