„Am Ende lachen wir alle in derselben Sprache“
Außergewöhnliche Aktivitäten und die Erkenntnis, dass Europa nicht nur die EU umfasst: dies bot die deutsch-ukrainische Schülerbegegnung über das Förderprogramm „MEET UP!“ den Schüler*innen der Gesamtschule Eiserfeld aus Siegen und ihrer Partnerschule aus Brody in der Westukraine.
1.427 Kilometer trennen das in Nordrhein-Westfalen gelegene Siegen und Brody in der Westukraine. Weit weg? Nein, ganz nah, meinen Schüler*innen einer 2017 angebahnten Schulpartnerschaft zwischen der Gesamtschule Eiserfeld und dem Ivan-Trush-Gymnasium in Brody. Sie verbrachten 2018 zwei Wochen in ihren Partnerschulen, zunächst in Deutschland und dann in der Ukraine.
Ob Bowling, Besichtigung oder Schultheater – Gäste und Gastgeber erlebten intensive Wochen, in denen „Sprache oder Besonderheiten der jeweils anderen Kultur nie eine Distanz oder ein Problem darstellten. Am Ende des Tages haben wir alle in derselben Sprache gelacht“, fasst Nele, Gastgeberin und Schülerin aus Eiserfeld, ihre deutsch-ukrainischen Momente zusammen.
Wechselvolle Geschichte und ethnische Vielfalt
Die Begegnungen ermöglichten den Jugendlichen, Land und Leute, Geschichte und Kultur kennenzulernen. Sie boten die Gelegenheit, vielfältige Themen greifbarer zu machen und gemeinsam darüber zu sprechen.
In Eiserfeld besuchten die Schüler*innen die Firma Vetter, in der 1942 bis 1945 junge Ukrainer*innen Zwangsarbeit leisten mussten. Besonders einprägsam war der Bericht des Seniorchefs der Firma, der sich als damals kleiner Junge noch sehr gut an die Zwangsarbeiter*innen erinnern konnte und sich später aktiv für die Verbesserung der Lebenssituation der nun hochbetagten Frauen engagierte. „Ich kann nicht glauben, dass hier so etwas passiert ist. Gut, dass das vorbei ist“, berichtete Lisa aus Brody in einem Interview mit dem WDR.
Im ukrainischen Brody lernten die deutschen Gäste nicht nur die herzliche Gastfreundschaft der ukrainischen Freunde oder Uswar, einen für unseren Gaumen eher ungewöhnlichen Fruchtsaft, der aus gedörrtem Obst hergestellt und bei jeder Gelegenheit getrunken wird, sondern auch die wechselvolle Geschichte und ethnische Vielfalt der Gegend um Brody kennen.
Spurensuchen und Berge
Dazu begaben sie sich zunächst auf Spurensuche des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth (1894-1939), dem berühmtesten Absolventen der ukrainischen Partnerschule. Seine Romane haben dem Städtchen und der galizischen Provinz ein Denkmal gesetzt und boten den Teilnehmenden eine gute Möglichkeit, gemeinsam die Stadt zu erkunden.
Nicht weniger aufregend waren die folgenden Tage in den Karpaten, wo bis heute ein Gebirgsvolk lebt, dessen Name klingt wie aus einer anderen Welt: Huzulen. Die Huzulen haben bis heute ihre Traditionen bewahrt und sind vor allem für ihre Kleidung und ihre handwerklichen Erzeugnisse wie Schnitzereien und Stickereien bekannt. Die deutsch-ukrainische Gruppe konnte das alltägliche Leben einer Huzulenfamilie erleben, erste Versuche die Trembita, ein endlos langes Blasinstrument, zum Klingen zu bringen oder eine typische Hochzeitstracht anzulegen. Das war ein Spaß! Etwas anstrengender war dann doch die Besteigung der Hoverla, des höchsten Bergs der Ukraine.
Nach zwei Begegnungen in Deutschland und in der Ukraine, prägenden Eindrücken und außergewöhnlichen Aktivitäten fiel der Abschied von den neuen Freund*innen schwer. Doch auch wenn sich die Wege erstmal trennen, haben alle gelernt, dass aus Fremden Freunde werden können und die Ukraine zwar nicht in der Europäischen Union ist, aber ganz nah in Europa.
Über das Förderprogramm
Ziel des Förderprogramms „MEET UP! Deutsch-ukrainische Jugendbegegnungen“ ist es, die Beziehungen zur Ukraine zu intensivieren und das Engagement junger Menschen aus Deutschland und aus der Ukraine für demokratische Grundwerte und Völkerverständigung zu stärken. Darüber hinaus ermöglicht das Förderprogramm auch trilaterale Begegnungen mit jungen Menschen aus Russland.
Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ unterstützt damit Projekte, mit denen junge Menschen in ihrem Umfeld Veränderungen auf den Weg bringen wollen. Wie können junge Menschen dabei ihre gesellschaftliche Beteiligung vor Ort stärken? Wie gestalten sie wirksame Veränderungen in ihren Nachbarschaften und Gesellschaften?
Im Mittelpunkt der Begegnungen steht das gemeinsame Arbeiten an einem Projekt in den Bereichen der historisch-politischen Bildung, der deutsch-ukrainischen Beziehungen, in der Menschenrechtsbildung, oder z.B. Umweltprojekte. Sie können dafür auch mediale, musikalische oder andere kreative Formen wie etwa Theaterprojekte, Filme oder Websites, Apps sowie Vernetzungstreffen wählen.
Gefördert werden in diesem Kontext auch Begegnungen von jungen Künstlern, Sportlern oder anderen Berufsgruppen.