Das Herzstück der Internationalen Bildung
Die Stiftung Mercator und die Robert Bosch Stiftung fördern gemeinsam die Initiative „Austausch macht Schule“. Warum sie dies tun, erklären uns Maria Vogt, Projektmanagerin bei der Robert Bosch Stiftung für das Thema Internationale Bildung, und Jennifer Hecht, Projektmanagerin im Ressort Internationale Verständigung der Stiftung Mercator und dort zuständig für europäische Jugend- und Bildungsprojekte.
Warum engagieren sich die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung Mercator im Bereich Internationale Bildung, welche Wirkung wollen Sie erzielen?
Jennifer Hecht: Die Stiftung Mercator hat einen Förderschwerpunkt in der internationalen Verständigung und fokussiert sich dort auf die Stärkung des Zusammenhalts und die Handlungsfähigkeit Europas sowie auf den „Austausch von Menschen und Ideen“ mit zwei Schwerpunktländern – China und der Türkei. Ziel in der Förderung im Feld des Schüler- und Jugendaustauschs wie auch für andere, ältere Zielgruppen ist es, interkulturelle Handlungskompetenz als Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts zu fördern und persönliche Begegnung und Austausch zu ermöglichen. Daher unterstützen wir einerseits direkte Austauschprogramme für junge Menschen aus China, der Türkei und Deutschland, beispielsweise mit Stipendien für ein Schuljahr im Ausland, und setzen uns andererseits auch für verbesserte Rahmenbedingungen des internationalen Austauschs ein – wie in der Initiative „Austausch macht Schule“.
Die internationale Verständigung ist für die Stiftung Mercator auch deshalb von hoher Bedeutung, weil sie Grundlagen für weitere Stiftungsziele schafft. Herausforderungen wie etwa den Klimawandel kann heutzutage keine Gesellschaft, keine Regierung bewältigen, ohne auf internationale Zusammenarbeit zu setzen.
Maria Vogt: An diesen Gedanken knüpft auch unsere Förderung in der Robert Bosch Stiftung an. Unsere globalisierte Welt verändert sich ständig. Um diesem Wandel gewachsen zu sein, widmen wir uns vor allem der jungen Generation. Sie muss in der Lage sein, über nationale Grenzen hinweg respektvoll miteinander umzugehen und Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.
Schüler- und Jugendaustausch kann darauf wesentliche Antworten geben: Er ist ein kleines, aber wirksames Instrument um jungen Menschen jene pädagogisch begleitete Auslandserfahrung zu ermöglichen, die im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsansatzes Herz (Werte wie Toleranz und Offenheit), Hand (Selbstwirksamkeit, Eigenständigkeit, Gestaltungsmöglichkeiten) und Kopf (soziale Kompetenzen, flexibles Denken, Ambiguitätstoleranz und Fremdsprachenkompetenzen) nachhaltig prägt. Nach der Rückkehr haben viele junge Menschen den Wunsch, ihre Erfahrungen zu teilen, ihr Wissen und ihre Werte zu vermitteln und sich gesellschaftlich zu engagieren. Davon profitiert nicht nur das Individuum, sondern die gesamte Gesellschaft.
Zugleich beobachten wir: Trotz der zahlreichen Angebote, die es gibt, um eine internationale Erfahrung zu machen, werden viele jungen Menschen nicht erreicht. Wir wollen dazu beitragen, dass sich dies ändert und eine Auslandserfahrung zum selbstverständlichen Teil des Werdegangs aller jungen Menschen wird. Dafür leistet „Austausch macht Schule“ einen wichtigen Beitrag.
Die Initiative „Austausch macht Schule“ ist eines Ihrer gemeinsamen Förderprojekte. Welches Fazit ziehen Sie aus den letzten drei Jahren Zusammenarbeit? Inwiefern hat „Austausch macht Schule“ auch den Austausch zwischen den beiden Stiftungen bereichert?
Maria Vogt: Die Initiative „Austausch macht Schule“ hatte sich bereits 2013 als Netzwerk der bilateralen Austauschorganisationen mit dem Ziel gegründet, den internationalen Schüler- und Jugendaustausch als wertvollen Bildungsort zu stärken. Vom Konzept, die Kräfte zu bündeln, um den internationalen Schüler- und Jugendaustausch im Bildungssystem nachhaltig zu verankern, sind wir absolut überzeugt.
Seit 2016 haben wir gemeinsam mit der Stiftung Mercator den Aufbau des Projektes unterstützt. Die Etablierung eines eigenen Transferbüros, das alle Aktivitäten der Initiative koordiniert, ist wesentlich für den bisherigen Erfolg, und das konnten wir nur mit vereinten Kräften und Ressourcen schaffen. So können wir heute mit Stolz sagen: „Austausch macht Schule“ ist das Herzstück unserer Arbeit im Thema Internationale Bildung geworden.
Auch das neue Memorandum of Understanding der Träger von 2019 bestätigt unsere gemeinsamen Ziele, wie beispielsweise eine breitere Teilhabe von Jugendlichen und eine intensivere Kooperation von Schulen mit außerschulischen Trägern. Die Stiftung Mercator ist für uns ein starker Partner im Bereich der Bildungsförderung. Wir profitieren von den Netzwerken und der Expertise des jeweils anderen. Dies schafft nicht nur für uns, sondern auch für das Feld der Internationalen Bildung wertvolle Synergien. Ein so enges Zusammenwirken ist in der Stiftungslandschaft nicht selbstverständlich. Vor diesem Hintergrund sind wir der Stiftung Mercator sehr dankbar, dass sie sich auf dieses gemeinsame Projekt eingelassen hat.
Jennifer Hecht: Den Dank geben wir gern zurück! In den letzten drei Jahren konnte sich „Austausch macht Schule“ etablieren und einen Bekanntheitsgrad unter Akteuren im Bildungswesen gewinnen. Erfolgreiche Veranstaltungen wie die Regionalkonferenzen und mehrere parlamentarische Frühstücke waren Startpunkt für unterschiedliche Kooperationen in verschiedenen Bundesländern. Unter den beteiligten Trägern fand viel Austausch statt und man setzte sich gemeinsam für übergreifende Ziele ein. Dasselbe galt auch für die Förderer! Die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung Mercator sind in vielen Themenfeldern Kooperationspartner – durch „Austausch macht Schule“ auch im Feld des internationalen Schüler- und Jugendaustauschs bzw. der Internationalen Bildung. Indem Fördermittel zusammengelegt oder auch Veranstaltungen gemeinsam durchgeführt werden, entsteht ein Mehrwert aus der Kooperation für das Feld und auch innerhalb der beiden Häuser.
Der regelmäßige Austausch auf Arbeitsebene befruchtet die inhaltliche Diskussion in beiden Stiftungen. Die Kooperation innerhalb von „Austausch macht Schule“ war so auch konkret ein Auslöser für z. B. die Durchführung gemeinsamer strategischer Workshops sowie eines parlamentarischen Frühstücks mit Bundestagsabgeordneten zum Thema Schüler- und Jugendaustausch in Berlin.
Wir freuen uns sehr, dass beide Stiftungen der Initiative „Austausch macht Schule“ die Förderung für die nächsten drei Jahre zugesagt haben. Mit welchen Erwartungen ist diese Förderung verknüpft?
Maria Vogt: Für die Zeit und das Engagement der Träger und Unterstützer, welches bisher in die Initiative eingebracht wurde, sind wir sehr dankbar. Wir fühlen uns als Stiftungen nicht nur als Förderer wertgeschätzt, sondern sind auch auf der fachlichen Ebene als Partner anerkannt. Nach der Phase der Konsolidierung wünschen wir uns, dass sich unsere Partner auch weiterhin so engagiert für das gemeinsame Ziel einsetzen.
Die Träger und Unterstützer sind in ihrer Größe und Struktur sehr unterschiedlich. Dies kann in der Zusammenarbeit durchaus herausfordernd sein. Doch gerade die unterschiedlichen Perspektiven und Zugänge machen für uns den Mehrwert von „Austausch macht Schule“ aus. Die vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen der Mitglieder tragen in ihrer Gesamtheit zum Erfolg der Initiative bei. In diesem Sinne wünschen wir uns, dass die Initiative auch weiterhin mit allen Akteuren aus dem Feld der Internationalen Bildung in konstruktivem Austausch bleibt, in erster Linie mit Lehrkräften und Schulleitungen. Sie sind wichtige Expert*innen in diesem Feld, denn sie tragen in ihrer täglichen Arbeit wesentlich dazu bei, internationale Begegnungen lebendig zu gestalten.
Nicht zuletzt wollen wir mit unserer Förderung dazu beitragen, dass die Inhalte von „Austausch macht Schule“ verstärkt an politische Entscheidungsträger herangetragen werden. Der Stellenwert von Austauschprogrammen hängt entscheidend von politischen Prioritäten ab.
Jennifer Hecht: Die Wiederbewilligung drückt aus, dass beide Stiftungen an den Auftrag und die Zielsetzung der Initiative glauben und diese dabei unterstützen möchten, diese Ziele zu erreichen. Es wird somit natürlich auch erwartet, dass die Initiative es schafft, diesem Ziel ein gutes Stück näher zu kommen und zum Beispiel langfristige Kooperationen mit den Kultusministerien in den Ländern aufzubauen und so den Anteil der Schüler*innen, die Zugang zu Austausch in der Schule haben, zu erhöhen. Deshalb soll für die zweite Phase ein umfangreicher Strategie- und Organisationsentwicklungsprozess klare Leitlinien und Maßnahmen vorgeben, die dazu beitragen, die Initiative langfristig auf eigene Beine zu stellen.
Dadurch, dass bereits klar ist, dass die Robert Bosch Stiftung nach diesen drei Jahren die Initiative nicht weiter fördern kann, ist nun auch ein Zeitrahmen gesetzt. In der Stiftung Mercator ist so auch eine Evaluation der Initiative geplant, um die weiteren drei Jahre Förderung auszuwerten und über die zukünftige Art der Unterstützung zu entscheiden.
Seit 2013 hat die Robert Bosch Stiftung das Thema Internationale Bildung aufgebaut, nun orientiert sie sich im Bereich Völkerverständigung um und beendet das Thema im Herbst. Welche Erfahrungen und lessons learnt haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Maria Vogt: Es hat uns immer wieder beeindruckt, mit wie viel Leidenschaft sowohl schulische als auch außerschulische Akteure sich seit vielen Jahren für die Verbesserung der Rahmenbedingungen im Schüler- und Jungendaustausch engagieren. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und fachliche Unterstützung, die wir als Stiftung auf diesem Weg erfahren durften, sind wir sehr dankbar.
Kooperation und Netzwerkarbeit ist für uns ein wesentliches Handlungsprinzip geworden. Aber es brauchte Zeit, um alle Akteure gut kennenzulernen und damit eine eigene spezifische Rolle im Feld zu finden. Eine konsequent lernende Haltung war dafür eine wichtige Voraussetzung.
Zugleich hat die Stiftung mit dem Fokus auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen zum ersten Mal einen systemischen Ansatz der Förderung im Bereich Internationale Bildung gewählt. Allerdings ist dieser Ansatz weniger konkret und schwerer zu vermitteln, als ein spezifisches Austauschprojekt. Das hat beispielsweise die Kommunikation unserer Ansätze nicht immer ganz einfach gemacht. Zugleich sind wir überzeugt davon, dass Engagement für strukturelle Veränderungen die Zukunft der Stiftungsarbeit sein wird. Dieser Paradigmenwechsel, weg von einer individuellen Förderung hin zu Ansätzen mit breiteren gesellschaftlichen Wirkungen, lässt sich bereits im gesamten Feld der Bildungsförderung beobachten. So nehmen wir den Förderansatz und die damit verbundenen Erfahrungen aus dem Thema Internationale Bildung als Leitfaden für unsere zukünftige Arbeit an gesellschaftlichen Herausforderungen mit.
Die Stiftung Mercator fördert hingegen nach wie vor auch Einzelmobilitäten: Austauschprojekte mit der Türkei und China. Wie wird sich die Stiftung Mercator zukünftig hier aufstellen?
Jennifer Hecht: Die Förderung des Schulbesuchs im Ausland in Form eines Stipendiums für den einjährigen Schüleraustausch gehört zu den ältesten Projektförderungen in der Stiftung Mercator. Wir glauben, dass für die Erreichung übergreifender Ziele wie der internationalen Verständigung mit China oder der Türkei nicht nur systemische Veränderungen, sondern immer auch engagierte und motivierte Personen und Persönlichkeiten wichtig sind. Deshalb werden wir auch weiterhin individuelle Begegnungen fördern, wie wir es auch in anderen Zielgruppen oder Themen tun – zum Beispiel für mehr Chancengerechtigkeit in internationalen Karrieren mit der „Meet-Mercator Europa Tour“ für junge Erstakademiker*innen aus dem Ruhrgebiet.
Gleichzeitig zeigt die Erfahrung der RBSG im Bereich Internationale Bildung sowie in der Kooperation zu „Austausch macht Schule“, wie entscheidend die Arbeit an übergreifenden Rahmenbedingungen ist. Diesen möchten wir uns in Zukunft weiter widmen und hier auch länderübergreifend an besseren Zugängen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Christine Bertschi.