Von „Erinnern“ zu „Gestalten“
Im neuen Jahr startet Tandem, das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch, mit seinem dritten Schwerpunktthema. Ein Beitrag darüber, wen die Austauschorganisation damit anspricht und erreicht. Und wie Schulen von der Schwerpunktsetzung profitieren können.
Eine Schulaustauschwoche wird oft mit Sightseeing, Kulturprogramm und der Teilnahme am Unterricht im Gastland gefüllt. Interessanter ist jedoch, man widmet sich gemeinsam einem Thema. Doch wie findet man dies? Bei Tandem, dem Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch, kann man sozusagen mit auf den Themenzug aufspringen. Jeweils drei Jahre lang widmet sich Tandem einem Schwerpunktthema und unterstützt dabei auch Schulen tatkräftig.
Angefangen hat die Schwerpunktsetzung im Jahr 2014. „Gesundes Aufwachsen“ hieß es zwei Jahre lang – und auch die Idee der Schwerpunktthemen ist dabei gut gediehen und gewachsen. Daher ging es 2017 weiter mit „Gemeinsam erinnern für eine gemeinsame Zukunft“, das Ende dieses Jahres abgeschlossen wird.
Den Themen treu bleiben
Das gemeinsame Erinnern ist schon vor der Schwerpunktsetzung ein wichtiges Thema für Tandem gewesen, wie auf der Website nachzulesen ist:
Vor sieben Jahren hat Tandem mit dem Einstieg in Themen der historisch-politischen Bildung Neuland in der deutsch-tschechischen jugendpolitischen Zusammenarbeit betreten. Die beiden Koordinierungszentren haben seitdem mit Seminaren, Arbeitstreffen und Publikationen sowie in Kooperation mit Gedenkstätten, zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren in beiden Ländern einen ersten Beitrag zur Herausbildung eines transnationalen Gedenkens, also einer gemeinsamen deutsch-tschechischen Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus geleistet.
Seinem aktuellen Schwerpunkt wird Tandem deshalb auch nach dessen Beendigung treu bleiben: „Die Themen der Erinnerungsarbeit werden im deutsch-tschechischen Austausch für Tandem immer eine wichtige Rolle spielen“, so Ulrike Fügl, Verantwortliche für Schulischen Austausch bei Tandem in Regensburg. Auch die Hinwendung zum neuen Schwerpunkt „Jugend gestaltet Zukunft! Beteiligung – Demokratie – Diversität“ lasse Raum für historisch-politische Bildung. „Das 10. Deutsch-tschechische Jugendtreffen war quasi eine „Gelenkveranstaltung“ zwischen alt und neu“, erklärt sie. Entsprechend nahtlos gehe es nächstes Jahr zum künftigen Fokusthema der Koordinierungszentren über, die beiden Schwerpunkte bilden einen direkten Übergang von „Erinnern“ zu „Gestalten“.
Vernetzung mit neuen und alten Partnern
Die Nutzen und Vorteile der Schwerpunktsetzung sind dabei vielfältig. Insgesamt ist die Anzahl der Förderanträge im deutsch-tschechischen Austausch gestiegen. „Für Tandem bringt jedes Schwerpunktthema neue Kooperationspartner und neue Organisationen für den deutsch-tschechischen Austausch“, erklärt Ulrike Fügl. Beteiligt haben sich beim aktuellen Schwerpunktthema von schulischer Seite sowohl neue Kontakte als auch alte Bekannte mit neuen Ideen. Durch den Erinnerungs-Schwerpunkt sahen vor allem Geschichtslehrer*innen aus Tschechien einen Mehrwert in den deutsch-tschechischen Angeboten. Und auch Lehrkräfte, die vorher eher touristisch geprägte Austausche organisiert haben, haben sich inspirieren lassen – was ganz im Sinne ihrer Schüler*innen ist: „Die Möglichkeiten der inhaltlichen Zusammenarbeit werden von Jugendlichen aus beiden Ländern positiv bewertet“, freut sich Ulrike Fügl.
„Für Lehrkräfte bieten wir neben den Angeboten für den Austausch auch Kontakte zu thematisch orientierten NGOs und Organisationen, die zu den Schwerpunktthemen arbeiten. Für NGOs und Organisationen mit thematischem Bezug bergen der Schwerpunkt und der Kontakt zu uns die Möglichkeit, darüber nachzudenken, ob das eigene Angebot nicht auch deutsch-tschechisch umgesetzt werden könnte“, erklärt Ulrike Fügl.
Anknüpfungspunkte, auch bereichsübergreifend
Im Rahmen des Schwerpunkts verwaltet Tandem eine Sonderförderung aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP). Zudem begleiteten die Koordinierungszentren in den letzten knapp drei Jahren mehrere Projekte sehr intensiv: deutsch-tschechische Schulklassenbegegnungen in Terezín / Theresienstadt sowie in Prag in Kooperation mit dem Jüdischen Museum, eine Jugendbegegnung im NS-Dokumentationszentrum Zwangsarbeit, Berlin Schöneweide und auch Schulklassenbegegnungen an den Gedenkstätten in Dachau und an der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
Das Schwerpunktthema zieht sich dabei durch alle Bereiche: der schulische und der außerschulische Austausch, aber auch der Bereich „Freiwillige berufliche Praktika“ arbeiten dabei eng zusammen. Bereichsübergreifende Fachforen werden angeboten, daneben finden aber nach wie vor Kontakt- und Infoveranstaltungen in den einzelnen Bereichen statt. „Die Netzwerke konnten vor allem durch die bereichsübergreifenden Veranstaltungen und die begleitende Arbeitsgruppe ausgebaut werden“, so Ulrike Fügl.
Mit dem Schwerpunktthema hat man also einen Anknüpfungspunkt – nicht nur als Lehrkraft für seine Austauschpläne, sondern auch als Organisation für größere Veranstaltungen, erklärt Ulrike Fügl am Beispiel des Jugendtreffens: „Während wir früher für das Programm eher kreuz und quer Themen zusammengestellt haben, hob die thematische Anbindung die inhaltliche Arbeit auf ein anderes Level.“ Schon das Programm sprach die Jugendlichen offensichtlich an: 100 Teilnehmer*innen kamen zum Jugendtreffen – so viele wie noch nie. Innerhalb der Schwerpunktsetzung war es natürlich trotzdem abwechslungsreich: „Es war wirklich schwer, sich für einen Programmpunkt zu entscheiden; am liebsten hätte ich alle mitgemacht“, kommentierte ein Teilnehmer das Angebot.