„Eine digitale Durchführung macht so manche Begegnung erst möglich!“
Ein digitales Begegnungs- und Tagungshaus – das ist die neue Internet-Plattform DINA.international der Fach- und Förderstellen der Internationalen Jugendarbeit. Über die Chancen und Möglichkeiten für den internationalen Schulaustausch haben wir mit Benjamin Holm, Abteilungsleiter Innovation und Qualitätssicherung bei der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch und Mitbegründer der Plattform, gesprochen.
Wer seit letztem Frühling einen internationalen Schulaustausch durchgeführt hat, ist an digitalen Tools nicht vorbeigekommen. Es gibt schon sehr viele Angebote – was macht die neue Internet-Plattform DINA.international aus, warum sollten sich Lehrkräfte dafür entscheiden?
Benjamin Holm: DINA.international geht auf eine Gemeinschaftsinitiative der Fach- und Förderstellen der Internationalen Jugendarbeit zurück. Anfang März 2020 haben wir uns zusammengesetzt und nach Synergien für den Austausch im digitalen Raum gesucht. Die Plattform ist also auf die Bedürfnisse des Schüler- und Jugendaustauschs zugeschnitten.
Die Plattform stellt digitale Räume kostenfrei, werbefrei und unter Beachtung des Datenschutzes zur Verfügung. Diese Punkte wurden uns insbesondere von Schulen und Kultusministerien als zentral genannt.
Unser Ziel war es, einen leicht bedienbaren Funktionsbaukasten zur Verfügung zu stellen, der mehr als „nur“ Videokonferenz kann, bei dem es also um ECHTE Kollaboration und aktive Vernetzung geht. Denn die Kontakte, die vorher durch reale Treffen verbindlicher waren, müssen sich nun digital verorten. Manche der Fach- und Förderstellen hatten schon erste Erfahrungen mit eigenen Plattformen, darauf konnten wir aufbauen und diese – mit den Erfahrungen der Notwendigkeit während der Pandemie – weiterentwickeln.
Die digitalen Aktivitäten rund um einen Schüleraustausch können mit DINA.international in einen Kontext gesetzt werden: Alle nutzen eine gemeinsame Plattform und können dort auch Angebote von anderen Akteuren finden. Zudem bleiben wichtige Informationen auch erhalten, denn im Unterschied zu einer Zoom-Konferenz wird bei uns der Chat gespeichert und ist auch noch nach einer Videokonferenz zugänglich.
Auf der Plattform können für Projekte oder Austausche zudem eigene kleine Websites (Microsites) – quasi als auffindbare Visitenkarte angelegt werden. Für Treffen oder Tagungen per Videokonferenz können auf DINA.international Präsentationen und Texte, aber auch kurze Portraits der Referent*innen oder ein Programm hinterlegt werden. Teilnehmendenlisten zum Beispiel können direkt mit den Profilen der teilnehmenden Personen verknüpft werden. So erfährt man, wer noch dabei war und kann gleich neue Kontakte knüpfen oder findet Kompetenzträger*innen. Zusätzlich stehen auf DINA.international Kaffeetische bereit. Dort können sich, wie bei realen Tagungen oder Begegnungen, die Teilnehmenden in den Pausen in kleineren Gruppen treffen.
Kann ich einfach loslegen oder wie lerne ich DINA und die Möglichkeiten am besten kennen?
Ja, DINA ist offen für alle, die im Bereich des internationalen Jugend- und Schüleraustauschs agieren. Wenn man sich auf der Plattform angemeldet hat, kann man eine eigene Tagung erstellen und alle Features ausprobieren. Es besteht auch die Möglichkeit, kostenlos eine verbindliche Serverkapazität zu buchen. Dafür ist jedoch die eine Freigabe durch unser DINA-Team notwendig, das die Anfragen zudem inhaltlich prüft.
Für alle, die sich einen Eindruck von den Möglichkeiten der Plattform verschaffen wollen und sich für geplante Projekte oder Austausche inspirieren lassen wollen, haben wir eine Beispielbegegnung angelegt. Einfach anmelden und ausprobieren!
Sprache spielt bei internationalen Projekten eine wichtige Rolle und ist oft eine Hürde, gerade in der digitalen Kommunikation. Wie funktioniert DINA bei mehreren Sprachen in einem Projekt?
Zurzeit ist DINA.international in acht Sprachen verfügbar – alle Partnersprachen der beteiligten Fach- und Förderstellen, d.h. neben Deutsch auch Französisch, Polnisch, Hebräisch, Arabisch, Russisch, Englisch und Tschechisch. Als nächstes kommt durch das neu gegründeten Deutsch-Griechische Jugendwerk noch Griechisch hinzu.
Ein weiterer großer Vorteil ist die Dolmetsch-Funktion für Onlinetreffen oder Videokonferenzen. Für alle Sprachen, die bei einer Konferenz oder einem Treffen vertreten sind, können Sprachkanäle für die jeweiligen Simultanübersetzungen eingerichtet werden. Die Teilnehmenden können dann die entsprechende Sprache auswählen.
Bei einem Schüleraustausch wird vielleicht nicht die gesamte Begegnung simultan gedolmetscht, aber vielleicht ist die Funktion hilfreich bei einem Programmpunkt zu einem thematischen Schwerpunkt, für den eine besondere Verständigung oder Fachsprache notwendig erscheint und zu dem ggf. auch weitere Gäste aus der Schule, Eltern oder Vertreter*innen der Stadt hinzugeladen werden sollen
Nicht nur im Lockdown begrüßen die Fach- und Förderstellen ausdrücklich digitale Formate (eine Übersicht über aktuelle Angebote gibt es hier). Über die Notwendigkeit, besonders bei internationalen Formaten auch professionelle Dolmetscher*innen einzusetzen, sind sich die Partner einig. Darum werden Kosten, die für den Einsatz von Simultan-Dolmetscher*innen veranschlagt werden, wohlwollend geprüft. Schließlich entfallen bei digitalen Austauschen beispielsweise Reisekosten, so dass Mittel für andere Kosten freiwerden.
So viele Möglichkeiten auf einer Plattform können Ungeübte auch überfordern – ist DINA für Einsteiger*innen geeignet? Was muss ich als Lehrkraft an Vorkenntnissen und technischer Ausstattung mitbringen, um die Plattform nutzen zu können?
Wir haben uns sehr bemüht, die Benutzung möglichst einfach zu halten. Grundsätzlich funktioniert DINA autodidaktisch, man kann nichts kaputtmachen.
Unser Handbuch ist in deutscher Sprache bereits verfügbar, im Laufe des Aprils folgen die anderen Sprachversionen. Ebenfalls ab April bieten die Fach- und Förderstellen Schulungen an, ab Mai gibt es eine Fortbildungsreihe von „Austausch macht Schule“.
Tatsächlich bietet DINA viele Möglichkeiten, aber auch den klaren Vorteil, dass alle Werkzeuge an einem Ort versammelt sind. Etwa die opensource Cloud NEXTCLOUD (vergleichbar mit Dropbox oder Google Drive), um gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten, oder den Messenger-Dienst „RocketChat“, sowie gemeinsame Kalender. Alles Dinge, die man aus dem Projektmanagement kennt und für die Zusammenarbeit benötigt.
Darüber hinaus können auf DINA auch externe Tools wie Padlet oder Miro-Board eingefügt werden Bereits vertraute Werkzeuge können damit weiterverwendet und angefangene Projekte auf DINA fortgeführt werden.
Auch die technischen Anforderungen sind nicht hoch: Man benötigt einen Laptop oder PC mit Headset, die aktuelle Version des Browsers Firefox oder Chrome und eine stabile WLAN-Verbindung.
Was ist für die Zukunft von DINA noch geplant, welche Möglichkeiten werden im Laufe der Zeit noch dazukommen?
Aktuell arbeiten wir daran, die Nutzung des Portals noch komfortabler zu machen. Insbesondere die bessere Umsetzung der Mehrsprachigkeit liegt uns hier am Herzen.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Einbindung von Instrumenten, die den informellen Austausch erleichtern, wie z.B. 3D-Lernwelten oder andere Tools. Die zukünftigen Entwicklungen werden sich in Richtung „gamification“ bewegen, d.h. Bereitstellung von Avataren, die sich frei im digitalen Tagungs- und Begegnungshaus bewegen können. Man kann sich das vielleicht wie auf dem Schulhof vorstellen, wo sich alle frei bewegen und die Gruppen und Aktivitäten spontan wechseln können.
Eine weitere Idee ist ein Zufallsgenerator, der die Kleingruppen oder Kaffeetische mischt, sodass man mit neuen Menschen in Kontakt kommt.
In unserer Beispielbegegnung auf DINA haben wir die bereits vorhandenen Kaffeetische mit verschiedenen Städtenamen gekennzeichnet. Dies könnte in Zukunft noch attraktiver und animierter gestaltet werden.
Was ist Ihre Einschätzung – werden digitale Veranstaltungen auch in Zukunft wichtig bleiben oder ist das nun auf die Corona-Zeit beschränkt?
Wir alle haben in den letzten 12 Monaten durch die Pandemie in Sachen digitale Tools viel gelernt. Das war oft auch eine Belastung und mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden. Die Hoffnung, dass alles bald vorbei sein möge, möchte ich ergänzen mit dem Wunsch, das Gute über die Zeit zu retten. Natürlich ist es traurig, dass momentan keine realen Zusammentreffen möglich sind. Aber dafür ist im digitalen Raum viel möglich geworden, was uns in Zukunft erhalten bleibt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass zum Beispiel die Vorbereitung für einen Austausch weiterhin digital durchgeführt wird. Das erleichtert den Organisator*innen nicht nur die inhaltliche Vorbereitung und Programmplanung, sondern spart auch Zeit und Kosten. Aber auch zwischen zwei Austauschbegegnungen kann eine Vertiefung oder Fortsetzung der Projektarbeit im digitalen Raum erfolgen und das Projekt bereichern.
Zudem sehe ich gerade bei Tagungen und Weiterbildungen eine große Chance: Jede*r kann sich mit geringem Zeit- und Kostenaufwand dazuschalten und mitmachen, Distanzen spielen kaum noch eine Rolle. Eine digitale Durchführung macht so manche Begegnung erst möglich!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Christine Bertschi.