Neues wagen und Chancen nutzen
Sie sind interessiert an der Einführung eines Schüleraustausches und arbeiten an einer Schule mit den Klassenstufen 5 bis 10? Wahrscheinlich haben Sie Zweifel, da überwiegend Gymnasien und Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe solche internationalen Projekte durchführen. Dieser Artikel soll Ihnen Mut machen, internationalen Schüleraustausch auch in der Sekundarstufe I einzuführen, denn internationale Kontakte sollten nicht allein den Schulen im Sekundarbereich II vorbehalten bleiben.
Mir hat sich zunächst einmal die grundsätzliche Frage, ob und weshalb ein Schüleraustausch auch bzw. vor allem an einer Schulform der Sekundarstufe I eingeführt werden sollte, gestellt. Die Antwort auf diese Frage ist denkbar einfach: In Zeiten der Globalisierung nimmt das interkulturelle Lernen einen immer höheren Stellenwert ein. Mittlerweile ist die Internationalisierung des Schulprogramms, d.h. die Öffnung des Klassenraumes nach außen, unabdingbar geworden. Diese Öffnung bedeutet nicht nur Internationalisierung, sondern auch außerschulische Lernorte in den Lernprozess mit einzubeziehen. Durch die Begegnung soll eine Verknüpfung von Unterricht und konkreter Lebenssituation erreicht werden.
Daher gehört die internationale Begegnung in das Schulprofil einer jeden modernen und erfolgreichen Schule. Zudem wird das Verständnis für andere Kulturen geschärft, was wiederum positive Auswirkungen auf das tägliche Miteinander im multikulturellen Klassenraum hat. Aus dieser Horizonterweiterung resultiert auch eine stärkere Identifikation der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Schule. Im Fokus eines Schüleraustausches sollte immer die Kultur eines anderen Landes stehen. Dies kann das Herkunftsland einiger Schülerinnen und Schüler sein (z. B. Türkei-Austausch), aber auch jedes andere Land (z. B. USA-Austausch).
Für die Vorbereitung und Umsetzung eines erfolgreichen Austauschprojektes in der Sekundarstufe I ist es wichtig, dass Sie um einen Gesprächstermin bei der Schulleitung bitten und dieser von Ihrem Vorhaben berichten. Ein solches Gespräch sollte gut vorbereitet sein, damit das Interesse der Schulleitung geweckt wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist es von großer Bedeutung, ein konkretes Zielland und falls möglich auch eine Austauschschule zu nennen. Der Kontakt zu einer Austauschschule kann beispielsweise über das Partnerschulnetz des PAD initiiert werden (www.partnerschulnetz.de). Des Weiteren ist es bereits hier sinnvoll, die Finanzierung und die Gründung einer AG zum Schüleraustausch anzusprechen. Empfehlenswert ist auch das Angebot zur Gestaltung eines Elterninformationsabends, der in enger Abstimmung mit der Schulleitung vorbereitet werden sollte. Wenn diese Hürde erfolgreich gemeistert wurde, muss die Idee auf einer Lehrerkonferenz dem Kollegium präsentiert und zur Abstimmung gestellt werden.
Klingt es Ihrer Meinung nach utopisch, in Schulformen der Sekundarstufe I einen Schüleraustausch durchzuführen?
Dann soll Ihnen ein erfolgreiches Beispiel aus der Praxis das Gegenteil beweisen. Die Realschule am Buchenberg aus Steinfurt, Nordrhein-Westfalen, ging im Jahr 2011 eine Partnerschaft im Rahmen des German-American Partnership Program (GAPP) mit der Twin Cities German Immersion School aus Minneapolis/Saint Paul, Minnesota, USA ein.
Bevor es zur Schulpartnerschaft kam, wurde durch den Austausch-Koordinator das Stimmungsbild der Eltern unter dem Punkt „Verschiedenes“ auf einer Klassenpflegschaftsversammlung einer fünften Klasse ermittelt. Nach der Befürwortung des Austauschprojektes durch die Eltern, die Schulleitung und die Lehrerkonferenz, wurden alle Eltern auf einem Elternabend über das Vorhaben informiert. Auf dem Elternabend war das Interesse so groß, dass von Seiten der Eltern um eine umgehende Anmeldung gebeten wurde. Da die Anmeldezahlen alle Erwartungen übertrafen, wurde ein Auswahlverfahren nach schulinternen Kriterien eingeführt. Die maximale Teilnehmerzahl lag bei 25 Schülerinnen und Schülern.
Im März 2013 fand die erste Begegnung in Deutschland statt. Seitdem besuchen die deutschen Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 jedes Jahr im Herbst die amerikanische Schule. Der Gegenbesuch der Amerikaner erfolgt immer im Frühjahr des darauffolgenden Jahres. Zu Anfang des Schüleraustausches war die Anzahl der amerikanischen Austauschschülerinnen und -schüler deutlich geringer als die der deutschen. Allerdings hat sich die Schülerzahl im Laufe der Zeit auf beiden Seiten des Atlantiks einander angepasst. Mittlerweile ist der Andrang auf amerikanischer Seite so groß, dass aktuell eine zweite GAPP-Partnerschaft mit einer benachbarten Realschule vorbereitet wird.
Damit der Austausch finanzierbar ist, werden die Eltern bereits in Jahrgangsstufe 6 auf einem Elternabend informiert. Die Anmeldefrist endet immer einen Monat nach dem Informationsabend. Nach einer erfolgreichen Anmeldung wird bis zum Austausch in Klasse 9 in regelmäßigen Abständen ein vom GAPP-Koordinator eingeforderter Betrag auf ein schulisches Konto überwiesen. Diese Ansparphase erleichtert den Eltern die Finanzierung und wird daher sehr geschätzt. Falls eine Schülerin oder ein Schüler nicht teilnehmen kann, wird der überwiesene Betrag wieder ausgezahlt und ein Schüler von der Nachrückliste in das Programm aufgenommen. Dies ist in der Praxis bisher nur sehr selten der Fall gewesen. Darüber hinaus wird der zu zahlende Betrag jedes Jahr durch intensives Fundraising (z. B. Catering am Tag der offenen Tür in Autohäusern, Waffelverkauf am Elternsprechtag) um 150 bis 200 Euro pro Schülerin/Schüler reduziert. Das Fundraising wird, wie u.a. auch die Kultur und Geschichte der Vereinigten Staaten, in einer wöchentlichen „USA AG“ vorbereitet. An der Realschule am Buchenberg hat es sich bewährt, dass Eltern und Schülerinnen und Schüler ein Gesicht als Ansprechpartner mit dem USA-Austausch verbindet. In diesem Fall ist dies der sog. GAPP-Koordinator, der Eltern sowie Schülerinnen und Schülern bei Fragen weiterhilft und ein Gefühl der Sicherheit vermittelt.
Die bisherigen Erfahrungen mit dem USA-Austausch an der Realschule am Buchenberg sind überaus positiv und motivierend. Der Schüleraustausch genießt eine hohe Popularität und wird von den Schülerinnen und Schülern als Chance genutzt. Besonders hervorzuheben ist, dass Schülerinnen und Schüler, die im Schulalltag nicht immer positiv in Erscheinung treten, in der Begegnung mit den Amerikanern häufig eine andere, positive Seite von sich zeigen. Auf diese Weise haben auch die Lehrkräfte die Gelegenheit, neue Seiten ihrer Schülerinnen und Schüler zu entdecken. Dies wirkt sich auch nach dem Austausch noch positiv auf den schulischen Alltag aus. Hinzu kommt, dass die amerikanischen und deutschen Jugendlichen schon nach kurzer Zeit ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickeln und sich gegenseitig unterstützen. Zudem bestehen über die Austauschbegegnung hinaus noch zahlreiche Kontakte zwischen den Teilnehmenden. Nach anfänglicher Skepsis im Kollegium genießt der Austausch heute eine große Akzeptanz und verfügt auch außerhalb der Schule über eine hervorragende Reputation.
Philipp Kovermann, der Autor, ist Lehrer und GAPP-Koordinator an der Realschule am Buchenberg in Steinfurt, Nordrhein-Westfalen.
Bei Rückfragen steht Ihnen Herr Kovermann über folgende E-Mail-Adresse zur Verfügung: sekretariat[at]realschule-am-buchenberg.de