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Schüler*innenaustausch im Lehramtsstudium zum Thema machen

Neue Expertise erschienen
Titelbild Expertise

Seit der Gründung der Initiative „Austausch macht Schule“ ist eines ihrer zentralen Anliegen, internationalen Schüler*innenaustausch als Thema im Lehramtsstudium zu verankern. Der Grund für diese Forderung an die Kultuspolitik ist simpel: Damit Schüler*innenaustausch in der ganzen Breite der deutschen Schullandschaft zu einem selbstverständlichen Bildungsangebot werden kann, müssen Lehrerinnen und Lehrer über die nötigen pädagogischen und organisatorischen Fertigkeiten verfügen, diese Maßnahmen durchzuführen, und wissen, wie sie mit den Anforderungen des Lehrplans verknüpft werden können.

Ausgangslage und Herausforderungen

Gemeinhin wird die Lehrkräftebildung in drei Phasen unterteilt. Sie beginnt mit dem Lehramtsstudium an der Hochschule und setzt sich mit dem Referendariat fort, an dessen Ende die Anerkennung als staatliche Lehrkraft steht. Die dritte Phase bezeichnet die regelmäßige Teilnahme der Lehrerinnen und Lehrer an Fortbildungen.

Bisherige Versuche, Lehrkräfte zum Thema Schüler*innenaustausch zu schulen, setzten vor allem in der letztgenannten Phase an. Dieser Umstand macht sichtbar, dass Schüler*innenaustausch bildungspolitisch eher als methodisches „Spezialinteresse“, denn im schulpraktischen Mainstream verortet wird. Ein zweiter Grund ist, dass die bestehenden Fortbildungsangebote zum Thema Schüler*innenaustausch häufig von externen Fach- und Förderstellen angeboten werden, teilweise in Kooperation mit staatlichen Fortbildungsinstituten. Für sie ist es organisatorisch deutlich einfacher, ihre Inhalte auf diesem Wege zu transportieren, als sie beispielsweise in einen Studiengang zu integrieren.

Für die Verankerung von internationalem Schüler*innenaustausch als festen Bestandteil des Lehramtsstudiums, gibt es – wie bei so vielen Dingen auch – nicht den einen magischen Schalter, dessen Bedienung diese Herausforderung bewältigen würde. Dagegen spricht nicht nur der deutsche Bildungsföderalismus, sondern auch die weitreichende Autonomie jeder einzelnen Hochschule bei der Gestaltung ihrer Studiengänge.

Um das komplexe Feld zu erschließen, haben die Autorinnen Claudia Ingrisch-Rupp und Ruth Michalek, Mitarbeiterinnen am Institut für Erziehungswissenschaft der PH Freiburg, eine Expertise vorgelegt, die mögliche Anknüpfungspunkte im Lehramtsstudium und an der Hochschule aufzeigt. Zentrale Bedeutung haben dabei die Bemühungen der Hochschulen zur Internationalisierung der Lehramtsstudiums, mittels derer mehr Studierende bewegt werden sollen, Teile des Studiums im Ausland zu verbringen.

Adressat*innen der Expertise sind sowohl Hochschulen, die Interesse an der Vermittlung entsprechender Kompetenzen haben, als auch die Fach- und Förderstellen des internationalen Schüler*innenaustausches, welche dafür als Kooperationspartnerinnen in Frage kommen.

Anknüpfungspunkte

Die Expertise beginnt mit einem durchaus wichtigen Befund: Zentrale Beschlüsse der Kultusministerkonferenz legen nahe, dass das Thema internationaler Schüler*innenaustausch fester Bestandteil der Lehrerkräftebildung sein sollte. Gleichwohl wird im Fazit aber resümiert, dass es an deutschen Hochschulen lediglich eine untergeordnete Rolle spielt.

Nach einer Übersicht zur Struktur des Lehramtsstudiums und dessen Internationalisierung stellen die Autorinnen verschiedene Möglichkeiten vor, Schüler*innenaustausch an der Hochschule zu thematisieren. Sie beziehen sich dabei auf die Praxis von 29 untersuchten Universitäten im ganzen Bundesgebiet. Jeder diskutierte Anknüpfungspunkt ist am Ende mit kurzen Handlungsempfehlungen und möglichen Herausforderungen versehen. Für den Bereich des Lehramtsstudiums wird beispielweise auf Möglichkeiten im Rahmen der Studien- und Prüfungsordnungen, Schulpraktischer Studien, Studienprojekte und Exkursionen eingegangen.

Aber auch hochschulweite Aktivtäten bieten den Autorinnen zufolge Gelegenheit, um den internationalen Schüler*innenaustausch zu behandeln. Diese sind häufig mit dem Stichwort „Internationalization at Home“ verbunden. Dabei geht es im Kern darum, Auslandserfahrungen vor Ort und somit einer größeren Anzahl von Studierenden zu ermöglichen. Erörtert werden darüber hinaus u.a. Anknüpfungspunkte im Rahmen der Professionalisierung von Hochschuldozenten oder von Alumni-Programmen.

Anschließend wird am Beispiel der Universitäten Köln, Flensburg und Koblenz-Landau noch einmal beschrieben, wie in das Thema Schüler*innenaustausch in den komplexen und oftmals sehr verschachtelten Internationalisierungsbemühungen einer Hochschule platziert werden könnte.

Die Internationalisierung der Lehrerkräftebildung weiterdenken

In ihrem Fazit attestieren die Autorinnen, dass trotz vieler Potenziale, die die Internationalisierung der Lehrkräftebildung für die Thematisierung von Schüler*innenaustausch bietet, der Fokus der Hochschulen überwiegend auf dem Erwerb interkultureller Kompetenzen der Studierenden selbst liegt:

Internationale Erfahrungen sollen sie auf kulturell heterogene Klassen in der späteren Berufstätigkeit vorbereiten. Es bliebe aber oft aus, diesen Gedanken weiterzuführen, so dass Lehramtsstudierende im späteren Berufsleben auch ihren Schüler*innen ähnliche Erfahrungen ermöglichen könnten. Diese Beobachtung führt zu einer generellen Überlegung, die die Autorinnen folgenderweise zusammenfassen:

„Hochschulen können internationale Lehrer*innenbildung – externe Fach- und Förderstellen können internationalen Schüler*innenaustausch – das muss zusammengebracht werden.“

Anders gesagt, aufgrund des generellen Interesses der Hochschulen an Möglichkeiten der Internationalisierung sei davon auszugehen, dass externe Fach- und Förderstellen für sie als Initiativen interessant sind, die ein internationales Thema im Kontext von Schule vorantreiben wollen. Mit Blick auf die Realisierung solcher Kooperationen sei es aber vermutlich erfolgversprechender, wenn die Initiative dazu von Seiten der der Fach- und Förderstellen käme. Dabei könne es strategisch sinnvoll und ressourcenschonend sein, in einem ersten Schritt lediglich mit einer einzelnen Universität zu kooperieren. Eine andere Möglichkeit wäre, ein einzelnes Angebot mehreren Hochschulen gleichzeitig anzubieten, wie z.B. Begleitveranstaltungen für Studierende, die Auslandspraktika absolvieren.

Unabhängig von den aufgezeigten Ansatzpunkten und den einzubringenden Ressourcen zeigt die vorliegende Expertise nachdrücklich, dass das Thema internationaler Schüler*innenaustausch von großer Relevanz für die Lehrkräftebildung und damit auch für die Hochschulen ist.

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Die Expertise im Volltext kann über den unten stehenden Download-Link heruntergeladen werden. Als Anhang ist eine Tabelle beigefügt , die einen systematisierten Überblick über mögliche Anknüpfungspunkte für das Thema Schüler*innenaustausch im Lehramtsstudium an 29 Hochschulen gibt. Eine Kurzfassung sammelt alle Anknüpfungspunkte und Herausforderungen.

Veröffentlicht am: 01.02.2021