„Internationales sehen wir als Querschnittsaufgabe“
MIXED UP, der Bundeswettbewerb für kulturelle Bildungspartnerschaften, nimmt wieder Bewerbungen entgegen. Ab diesem Jahr wird der noch relativ neue Preis in der Kategorie International von der Initiative „Austausch macht“ Schule gestiftet. Rolf Witte, Leiter des Fachbereichs Kulturelle Bildung International bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ), erklärt die Hintergründe des Preises und die Vorzüge der internationalen Perspektive in der kulturellen Bildung.
Wie kam es beim Wettbewerb Mixed Up zur Kategorie International?
Durch den Fachbereich „Kulturelle Bildung International“ sehen wir bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) Internationales immer mehr als Querschnittsaufgabe. Wir wollen die Dinge auch aus nicht-deutscher Perspektive anschauen und versuchen internationale Expertise in die deutsche Szene der Kulturellen Bildung mit einzubringen.
2010 wurde die Kategorie International von Mixed Up als Versuchsballon ausgeschrieben. Es kamen eine Menge Bewerbungen und spannende Konzepte zusammen – doch es dauerte danach eine Weile, einen Stifter für eine regelmäßige Preisvergabe zu finden. Letztes Jahr wurde der Preis vom Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz verliehen, ab diesem Jahr nun von der Initiative „Austausch macht Schule“.
Warum ist diese Kategorie wichtig, was soll sie bewirken?
Wichtig ist sie, weil an vielen Schulen das Thema Internationaler Austausch alleine von den Sprachlehrkräften getragen wird. Ihnen möchten wir einerseits den Rücken stärken. Andererseits können durch den Wettbewerb auch zum Beispiel Kunstlehrer*innen angeregt werden, zusammen mit einer außerschulischen Kultureinrichtung einen internationalen Austausch zu organisieren.
Ein weiterer Grund ist, dass sich im Moment alle Förderinstitutionen von internationalen Begegnungen mit dem Überschneidungsbereich zwischen schulischem und außerschulischem Austausch beschäftigen und z. B. besondere Förderprogramme dafür auflegen. Das ist erfreulicherweise so langsam schon ein Trend der Zeit. Wir versuchen mit dem Mixed Up Preis International dazu beizutragen, die Trennungslinie zwischen schulischer und außerschulischer Bildung noch durchlässiger zu machen.
Worin liegen die Vorzüge und Herausforderungen von internationalen kulturellen Bildungspartnerschaften?
Internationale Begegnungen sind nie einfach auf die Beine zu stellen, aber sie lohnen sich sehr, da die Jugendlichen viel Spannendes und Motivierendes erleben, ungeheuer viele Lernerfahrungen machen und neue Seiten und Kompetenzen in sich entdecken können. Und wenn es schon aufwändig ist, einen internationalen Austausch zwischen zwei Schulen zu organisieren, so erfordert es noch mehr Engagement, wenn z. B. noch ein Jugendzirkus aus dem gleichen Stadtteil hinzukommt, oder vielleicht sogar noch ein zweiter außerschulischer Partner im Ausland. Die Absprachen untereinander werden damit noch umfangreicher. Und, gerade wenn z. B. professionelle Künstler*innen oder Kulturpädagog*innen einbezogen werden sollen, dann kann es auch teuer werden! Ein Freiberufler kann nicht einfach eine Woche an einem Austausch teilnehmen, ohne dafür ein Honorar zu bekommen. Damit wird klar: Ohne öffentliche Förderung geht das nicht.
Ich ziehe den Hut vor den Lehrer*innen und außerschulischen Fachkräften, die das gemeinsam schaffen. Das braucht eine Menge Durchhaltevermögen und verdient nach einer erfolgreichen Durchführung vielleicht auch den Mixed Up Preis.
Noch ein Grund, warum aus meiner Sicht internationale Begegnungen mit künstlerischen Arbeitsformen wichtig sind: Künstlerische und kreative Herangehensweisen bieten einen anderen Zugang z. B. zur politischen Bildung und zu komplexen multinationalen Themen. Jugendliche setzen sich gerne mit den großen Fragen auseinander: Umweltschutz, Postkolonialismus, Migration und vieles anderes mehr. Gerade im heutigen politischen Kontext, wo die EU hinterfragt wird und der Nationalismus wieder erstarkt, ist das wichtig.
Die Jugendlichen kommen nicht drum herum, sich im internationalen Austausch fragen, warum Grenzen wieder wichtiger geworden sind. Das Thema muss nicht einmal ein eigener Programmpunkt sein, es kann auch einfach am Abend am gemeinsamen Lagerfeuer besprochen werden. Die Teilnehmenden aus den Partnerländern mit ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen befragen einander, müssen ihre eigene Position erklären und setzen sich mit anderen Sichtweisen auseinander. Und künstlerische Ausdrucksformen geben den Jugendlichen die Möglichkeit, ihre gemeinsame Meinung oder ihre Zukunftsvorstellungen auf die Bühne zu bringen, in Form einer Ausstellung oder eines Films öffentlich zu machen und zur Diskussion zu stellen.
Ein projekt- und auch aufführungs- oder präsentationsorientierter Ansatz, wie er in der Kulturellen Bildung üblich ist, erweitert den ‚klassischen‘ Schulaustausch ganz wesentlich. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen deutlich, dass schon einwöchige Begegnungen nicht nur die Motivation zum Sprachenlernen fördern, sondern sogar einschneidende Erlebnisse in der Persönlichkeitsentwicklung sein können und vielfältige Kompetenzen der Teilnehmenden sichtbar machen.
Warum ist der internationale Aspekt eine Bereicherung für Projekte im Bereich der Kulturellen Bildung? Ist das nicht zu viel auf einmal?
Ja, es ist schon viel. Wenn nun die Englischlehrerin mit dem Kunstlehrer mit einer ausländischen Partnerschule und auch noch mit einer außerschulischen Künstlerin zusammen etwas auf die Beine stellen will, dann ist das für eine echte Herausforderung. Sinnvollerweise steht die eigene Neugierde als Triebkraft am Anfang einer solchen Kooperation: Wenn der Sprachlehrer zum Beispiel beeindruckt ist von der Zirkus-AG an der eigenen Schule, wo die gleichen Jugendlichen, die bei ihm im Unterricht nur mühsam zu motivieren sind, über sich hinauswachsen.
In künstlerischen Prozessen und beim kreativen Zusammenarbeiten können die Jugendlichen unterschiedliche kulturelle Prägungen erkennen: Zum Beispiel, dass die Theaterpädagog*innen aus dem Partnerland völlig anders vorgehen, als sie es gewohnt sind. Diese Unterschiede können hinterfragt und im besten Fall vielleicht sogar in die künstlerische Darbietung eingebaut werden. Den Kulturpädagog*innen ist die Ergänzung zum kognitiven Lernen wichtig:
Jugendliche müssen bei einer Begegnung in unterschiedlichen Sprachen und mit Händen und Füßen Kompromisse aushandeln, weil sie gemeinsam etwas auf die Bühne bringen wollen, ein Ziel vor Augen haben und sich dafür verständigen wollen und müssen. Die praktische künstlerische Zusammenarbeit kann weiterführen als langes Diskutieren und Kategorisieren von vermeintlichen ‚nationalen‘ oder ‚kulturellen‘ Unterschieden. Es geht um das Erleben und Erlernen eines Diversitätsverständnisses, ohne ständig darüber reden zu müssen. Gezielte Reflexionsanstöße seitens der Lehrkräfte und Kulturpädagog*innen unterstützen dann dabei, das Erlebte nochmals zu überdenken und eigenes Verhalten, und auch Haltungen, bewusst zu machen.
Was muss ein Projekt mitbringen, um bei dem Wettbewerb für die Kategorie International in die engere Auswahl zu kommen?
Wichtig ist der Jury immer eine wirkliche Partnerschaft zwischen den formalen und non-formalen Partnern. Das Konzept soll partnerschaftlich, möglichst auch zusammen mit den Jugendlichen entwickelt worden sein. Auf die interkulturellen Lerngelegenheiten kommt es an, weniger auf die künstlerischen Qualitäten zum Beispiel der gemeinsamen Abschlusspräsentation. Ob eine Theateraufführung perfekt inszeniert war oder eher ein „work in progress“-Stadium darstellte, das kann beides je nach Begegnungskonzept gute Gründe haben.
Auch das jeweilige Niveau in der Partnersprache ist nicht wesentlich, sondern der Umgang mit der Fremdsprache: zum Beispiel die Strategien, wie Ängste und Schwierigkeiten bei der Kommunikation aufgegriffen und abgebaut wurden.
Wie groß wird die Konkurrenz beim Wettbewerb sein?
2017 gingen etwa 250 Bewerbungen in allen Preiskategorien von Mixed Up ein, davon waren 16 in der Kategorie International. Sechs von diesen kamen in die Finalistenrunde und schickten vertiefende Unterlagen zur Begegnung ein. Auf dieser Basis hat dann die Jury entschieden. Wir gehen stark davon aus, dass es dieses Jahr in der Kategorie International mehr Bewerbungen sein werden, aber man hat durchaus auch Chancen auf den Preis.
Warum organisiert die BKJ diesen Wettbewerb?
Mixed Up soll vor Ort Schulen, Kultureinrichtungen und kulturpädagogische Akteure ermuntern zu kooperieren, Netzwerke zu gründen, möglichst strukturiert und längerfristig zusammenzuarbeiten. Auch wenn es sich um einen Anerkennungspreis für bereits abgeschlossene Projekte handelt, so kommt das Preisgeld meist doch Folgeprojekten der gleichen Partner zugute.
Doch für die BKJ sind die Bewerbungen auch wichtig, um Informationen über gute Projekte zu bekommen. Was sind die Gelingensbedingungen, wo liegen die Knackpunkte? Was braucht die Praxis? Wir werten die Bewerbungsunterlagen immer wieder aus und sammeln damit Wissen und Material für die konzeptionelle Weiterentwicklung im Feld der Kooperation von Schule und außerschulischer Kultureller Bildung. Dies fließt auch in die politischen Forderungen unserer Lobbyarbeit als Dachverband ein.
Obwohl natürlich nur aus Sicht der Lehrer*innen und Kulturpädagog*innen gelungene Projekte eingereicht werden: Stolpersteine gibt es überall – das ist normal, wenn so viele Akteure, Sprachschwierigkeiten und interkulturelle Lernprozesse aufeinandertreffen. Wichtig ist uns dabei: welche Strategien werden gegangen, welche Lösungsansätze haben funktioniert? Durch Veröffentlichungen und Arbeitshilfen können wir dazu beitragen zu vermeiden, dass die gleichen Fehler immer wieder gemacht werden. Bei der Kategorie International haben wir das Pilotjahr 2010 zum Beispiel intensiv ausgewertet und die Erkenntnisse konnten beim Deutsch-Französischen Jugendwerk vorbereitend für das ebenfalls Kooperationen fördernde Programm „Fokus“ in die beratenden Gremien eingebracht werden.