„Mein Interesse an einem Schulaustausch war schon immer da“
Die Adam-Olearius-Schule in Aschersleben ist eine Gemeinschaftsschule in freier Trägerschaft. Katharina Glanz-Wilke, Lehrerin für Italienisch und Sozialkunde, gibt uns Einblicke in den ersten internationalen Gruppen-Austausch der Schule.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Austausch durchzuführen?
Katharina Glanz-Wilke: Die Sprache und Kultur Italiens liegt mir als Italienischlehrerin natürlich am Herzen. Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht und bin zur Überzeugung gekommen, dass man Sprachen nicht nur aus Büchern lernt, sondern vor allem im Zielland, in Kontakt mit Muttersprachler:innen. Erst dann, wenn man die Sprache anwenden muss, entstehen Lernprozesse, man erkennt die Sinnhaftigkeit, auch weil der Kontakt mit Emotionen verbunden ist. Das verankert letztlich die Sprache im Gehirn.
Als Sprachlehrerin sehe ich es als meine Aufgabe, den Schüler:innen den Kontakt zu Muttersprachler:innen zu ermöglichen. Das ist meine persönliche Überzeugung, aus meiner eigenen Biographie gewachsen. Aber es liegt natürlich auch in meinem eigenen Interesse am Austausch mit Kolleg:innen, mit Italien und seinem Schulsystem. Das ist auch für mich persönlich wertvoll.
Und dann gibt es noch einen weiteren Aspekt, unsere Schule hat einen Namensträger: Adam Olearius war Schriftsteller, Gelehrter und Diplomat, dessen Reisen Mitte des 17. Jahrhunderts nach Russland und Persien führten. Daran sollte sich auch die Schulgemeinschaft ein Beispiel nehmen, und durch Reisen den eigenen Horizont erweitern.
Es war das erste Mal, dass Ihre Schule einen Gruppenaustausch durchführte. Welche Hürden mussten Sie überwinden?
Ich bin seit fast zehn Jahren an der Schule, mein Interesse an einem Schulaustausch war schon immer da, aber erst vor drei Jahren habe ich es geschafft, eine Partnerschule zu finden, es war ein langer Weg dahin. Es ist wahnsinnig schwierig, eine zuverlässige Partnerschule zu finden. Es muss auf vielen Ebenen passen, mit mehreren italienischen Kolleg:innen hab ich zuvor Anbahnungen unternommen, aus verschiedensten Gründen ist es jeweils gescheitert.
Am Ende bin ich über Josephine Löffler vom VIAVAI von Andrea Cascelli, Lehrer am Convitto Nazionale Umberto I., aus Turin angeschrieben worden – wir verfolgen unser Ziel auf ähnliche Weise und die Zusammenarbeit klappt sehr gut. Ich bin sehr dankbar, dass uns die Plattform VIAVAI bei der Vermittlung unterstützt hat.
Eine weitere Hürde war das Interesse vonseiten der Schüler:innen bzw. der Familien. Wir als Italienischfachschaft haben gedacht, dass sich viele melden – Italienisch wird bei uns als zweite Fremdsprache ab der 7. Klasse bis zum Abitur angeboten, wir haben rund 140 Schüler:innen. Jedoch gab es erstmal nur 15 Interessierte – wir brauchten aber Gastfamilien für 21 Schüler:innen aus Turin. Dank zusätzlicher Aushänge und die Ansprache aller Eltern haben wir dann die Gruppe zusammengekriegt. Wie gesagt, es war das allererste Mal, dass unsere Schule sowas durchführte – es gab keine Vorreiter, keine Erfahrung damit, daher kann ich die Zurückhaltung verstehen. Nächstes Jahr dürfte das anders aussehen! Neben der anfänglichen Skepsis haben bei manchen bestimmt auch der fehlende Platz für die Unterbringung des Gastkinds, aber auch die zusätzliche finanzielle Belastung durch Fahrt nach Turin mit reingespielt. Schulintern haben sich alle sehr gefreut über den Austausch, waren nervös und aufgeregt, ein ganz großes Bemühen und Unterstützung von allen Seiten.
War es geplant, sich erstmal virtuell auszutauschen, oder war das Corona geschuldet?
Angefangen haben wir mit den 7. Klassen. Wir hatten gemeinsame Unterrichtseinheiten, angepasst an die sprachlichen Fähigkeiten: sich vorstellen und über die eigene Schule sprechen zum Beispiel. Erst haben wir dies in großer Gruppe durchgeführt, das war nicht ideal. Daher haben wir individuelle Aufgaben an Kleingruppen oder Tandems verteilt. Das war ok, um die Zeit von Corona zu überbrücken. Aber auch sehr aufwändig, wir mussten stets die Stundenpläne abgleichen und gemeinsame Zeitfenster finden. Damals waren alle erst im ersten Lernjahr, und die Kommunikation mit wenig Sprachkenntnisse gestaltet sich virtuell deutlich schwieriger als live.
Seit vergangenem Oktober planen wir nun die beiden Begegnungen, im März war die Gruppe aus Turin bei uns zu Gast, für den kommenden September ist der Gegenbesuch geplant. Unsere Austauschgruppe besteht aus Italienisch-Schüler:innen von der 8. bis zur 11. Klasse. Jene, die im Frühjahr Gastgeber:innen waren, fahren im Herbst nach Turin.
Für die erste Begegnung haben Sie als Gastgeberin viel Touristisches mit Projektarbeit verbunden – es klingt nach einem sehr dichten, intensiven Programm. Würden Sie das wieder so gestalten?
Wie man das als Gastgeber so macht, haben wir vorab die Gäste nach ihren Wünschen gefragt. Wir wollten Anknüpfungspunkte zum Unterricht bieten und den Interessen der Gäste nachkommen. Ganz oben auf der Wunschliste standen Berlin und Weimar. Berlin war nicht realistisch, mit 42 Schüler:innen für einen Tag, diese Illusion mussten wir ihnen nehmen. Aber Weimar gerne! Wir wollten deutsche Kultur zeigen, aber auch gemeinsame Erlebnisse schaffen, ein bisschen Action, ein bisschen Geschichte – jeder Tag stand unter einem anderen Motto.
So verbrachten wir den ersten Tag an der Schule und in unserer Stadt Aschersleben, am zweiten Tag standen Wernigerode oder Quedlinburg zur Wahl – zwei Städte im Harz, die durch ihre Geschichte und ihre einzigartige Architektur die Umgebung unserer Schule, aber auch ein Stück Sachsen-Anhalt repräsentieren. Am dritten Tag fuhren wir nach Weimar, in die Wiege der deutschen Literatur, am vierten Tag ging es in Leipzig um die Geschichte der DDR, im Forum für zeitgenössische Geschichte. Den fünften Tag verbrachten wir mit Projekten an der Schule. Der Samstag gehörte den Gastfamilien, bevor es am Sonntag wieder nach Hause ging.
Und welche Rückmeldungen haben Sie von Ihren Schüler:innen und den Gästen bekommen?
Von der deutschen Schüler:innen und Eltern bekamen wir das Feedback: Ein bisschen mehr Freizeit mit den Gästen wäre schön gewesen, vielleicht noch ein zweiter Familientag, um den Alltag der Gastgeber besser kennenzulernen.
Die Gäste haben sich sehr wohl gefühlt. Auch wenn man sich nach dem Abholen im Auto vielleicht erstmal angeschwiegen hat – innerhalb einer Woche sind die Gäste in den Familien angekommen, wurden liebevoll adoptiert. Die Gastfamilien meinten: Es wird eine Umstellung werden ohne sie, es gab Tränen beim Abschied. Die italienischen Eltern haben den deutschen Gasteltern Briefe, Pakete und WhatsApps geschickt und sich bedankt, es kam zu einem Austausch zwischen den Eltern. Und für mich bedeutet das, dass die Gäste zuhause ihren Eltern kommuniziert haben, dass sie sich wohlgefühlt haben. In den Gastfamilien wurde gemeinsam gekocht, Spiele gespielt, Ausflüge gemacht – manche konnten sich sogar den Traum des Berlin-Besuchs erfüllen.
Welches Standing hat Italienisch an Ihrer Schule – hoffen Sie auch auf mehr Interesse der Schülerschaft an Ihrem Fach?
Wir freuen uns in der Italienisch-Fachschaft immer über viele Interessent:innen der italienischen Sprache und Kultur. Der Austausch diente aber vordergründig dazu, den Schüler:innen Motivation zu geben, ihnen zu zeigen, was sie alles können, wofür sie lernen und was es für ihr Leben bedeutet.
Wie geht es weiter nach diesem Auftakt?
Nun steht erstmal der Gegenbesuch in Turin an. Gleichzeitig planen wir schon, im März nächsten Jahres mit einer neuen Generation wieder einen Austausch durchzuführen. Neben Italienisch bin ich auch Sozialkundelehrerin, und da ist mir der Austausch in Europa ein besonderes Anliegen. So können wir ganz viel dazu beitragen, dass der Gedanke des gemeinsamen Europas lebt und durch die Jugendlichen vorangetrieben wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Christine Bertschi.