Zugänge zum internationalen Austausch für alle Schülerinnen und Schüler in Bayern
Wie können alle Schülerinnen und Schülern in Bayern einen Zugang zum internationalen Schüler- und Jugendaustausch erhalten? Welche Veränderungen sind notwendig, um die Bedingungen für den Austausch in Bayern weiter zu verbessern? Diese Fragen diskutierte »Austausch macht Schule« am 6. Februar bei einem Parlamentarischen Frühstück mit Abgeordneten des Bayerischen Landtages im Münchner Maximilianeum.
Austauschzahlen sinken – Gymnasien sind überproportional beteiligt
Zentraler Ort, Jugendliche für Austauschaktivitäten und nternationale Erfahrungen zu gewinnen, ist immer noch die Schule - sei es im Unterricht oder als sozialer Ort, an dem entsprechende Informationen ausgetauscht werden.
Doch bei nur leicht sinkenden Schülerzahlen im Freistaat ging die Zahl der am Austausch Teilnehmenden seit 2011 in allen Schulformen überproportional und stetig zurück. Noch immer haben Gymnasien den größten Anteil daran: 2017/18 entfielen über 77% der Austausche auf diese Schulform, gerade noch 12% fanden an Realschulen statt, lediglich 3% an Mittelschulen1.
Auch im individuellen, längerfristigen Schüleraustausch liegt der Anteil der Jugendlichen relevanter Jahrgänge für Bayern unter dem Bundesdurchschnitt2 – Schülerinnen und Schüler aus Mittel- und Realschulen sind auch hier deutlich unterrepräsentiert.
„Es muss uns gelingen, mehr Schülerinnen und Schüler auch an den Mittel- und Realschulen sowie in der beruflichen Bildung mit internationalen Austauschangeboten zu erreichen“, sagte Bernd Böttcher zu Beginn des Frühstücks für die Initiative »Austausch macht Schule«.
Durch passgenaue Angebote alle Schulen erreichen
An einigen Beispielen für Formate und Methoden machten Vertreter*innen der Fach- und Förderstellen deutlich, wie das erreicht werden kann:
Thomas Hetzer vom DPJW stellte Schülerbegegnungen in einer Bildungsstätte als geeignetes Format vor, um Hürden – etwa die private Unterbringung von Gastschüler*innen – zu umgehen und die gerade nichtgymnasialen Schulformen zum Austausch zu ermutigen und zu qualifizieren.
„Im Programm ‚Zusammen kommen wir weiter‘ haben wir in den vergangenen Jahren zahlreiche Bildungsstätten dabei begleitet, Kooperationen mit Förder-, Haupt und Realschulen einzugehen. Solche ‚Drittortbegegnungen‘ sind zwar teurer, aber mit besonderen Qualitäten und für diese Formate stellen die Förderstellen oft auch höhere Fördersätze zur Verfügung“, sagte er.
Sprachanimation eignet sich, um Schülerinnen und Schülern Verständigungshemmnisse zu nehmen und Lehrkräfte dabei zu unterstützen, Austausch auch mit verschiedenen Unterrichtsfächern zu verbinden, etwa Naturwissenschaften, Geschichte oder Sport. Die Methoden wurden für verschiedene Sprachen entwickelt. Außerdem bieten die Fach- und Förderstellen Materialien und Fortbildungen an.
„Durch die Kooperation von Jugendarbeit und Schule kann ein Mehrwert für beide Seiten entstehen", hob ConAct-Referent Jonas Hahn hervor.
„Im deutsch-israelischen Austausch gibt es verschiedene Projekte, in denen außerschulische Träger, wie Geschichtsvereine, Geschichtswerkstätten oder Erinnerungs- und Gedenkstätten mit Schulen der Region zusammenarbeiten, um dann im Rahmen eines deutsch-israelischen Austauschs die jüdische Geschichte vor Ort zu erforschen. Hierbei können sich interessante inhaltliche Anknüpfungspunkte für den schulischen Unterricht ergeben, beispielsweise im Fach Geschichte oder Religion.“
Dass nicht nur an Gymnasien und zusammen mit dem Fremdsprachenunterricht guter Austausch gelingen kann, zeigt auch das Schulpartnerschaftsprogramm „Willkommen Türkei! Hos geldin Almanya!“:
„Wir haben in diesem Programm alle Schulformen angesprochen und hier tatsächlich eine gute Verteilung über unterschiedliche Schulformen erreicht und treten weiter dafür ein“, sagte Jan Taşçı von der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke.
Formate wie die vorgestellten finden sich in der Regel bei allen Fach- und Förderstellen.
Förderungen und Finanzierungen
Die zahlreichen Nachfragen der Abgeordneten betrafen vor allem die Wege, wie Schülerinnen und Schüler von Austauschangeboten erfahren, sowie die finanzielle Seite des schulischen Austauschs.
Zwar ist die Förderung für den Schüleraustausch durch öffentliche Mittel fast nie ganz kostendeckend. Je nach Förderung schwankt der Eigenbeitrag, den Familien für einen internationalen Austausch vorsehen müssen, oft ist er jedoch geringer als bei reinen Klassenfahrten. Probleme liegen häufig auch nicht in der Höhe einer Förderung durch eine der Fach- und Förderstellen:
„Das Programm Erasmus+ bietet Schulen gute finanzielle Bedingungen und wir können die meisten der Anträge auch in vollem Umfang bewilligen. Selbst die Antragstellung für diese EU-Mittel wird mehr und mehr vereinfacht“, sagte Gernot Stiwitz vom Pädagogischen Austauschdienst (PAD).
Anna Wasielewski, Geschäftsführerin des Arbeitskreises gemeinnütziger Jugendaustausch (AJA), wies für den längerfristigen individuellen Schüleraustausch auf die Stipendienprogramme der acht gemeinnützigen AJA-Organisationen hin:
„Unsere Mitgliedsorganisationen vergeben jährlich eigene Stipendien mit einem Gesamtwert von über 4 Mio. Euro. So unterstützen wir rund ein Drittel unserer Programmteilnehmenden, die sich einen Auslandsaufenthalt sonst nicht leisten könnten. Von diesen Möglichkeiten müssen Schüler*innen und Familien jedoch auch erfahren. Deshalb veranstalten die AJA-Organisationen Informationsveranstaltungen mit ehemaligen Teilnehmenden unserer Austauschprogramme an Schulen. Durch die Berichte von Alumni werden die Schüler*innen für einen Austausch begeistert und bekommen Lust, selbst einen daran teilzunehmen.“
Den Fach- und Förderstellen selbst fehlt jedoch der direkte Zugang zu den Schulen – für eine flächendeckende Informationen über Förderprogramme und methodische Unterstützungen müssen diese daher auch über die Kultusverwaltung an die Schulen gelangen. Regelmäßige Informationsveranstaltungen an Schulen und die Ermutigung potentieller Teilnehmender für einem Austausch durch Peers sind - vor allem an Real- und Mittelschulen - wichtige Maßnahmen.
Schulen stärken und Austausch zum Anliegen aller machen
Austausch darf nicht nur das private Engagement einzelner Lehrkräfte sein. Die Schulen als Ganzes müssen gestärkt werden, Austausch regelmäßig und für alle anzubieten. Vor allem gilt es, Schulen in die Lage zu versetzen, solche Förderanträge zu stellen. Die Initiative empfiehlt deshalb, Austausch zu einem festen Teil von Schulprofilen zu machen und fordert, das Engagement der Lehrkräfte angemessen zu würdigen.
„Austausch gelingt nur als Anliegen der gesamten Schule. Es braucht die kollegiale Anerkennung für Lehrkräfte, die Schüler*innen bei Austauschvorhaben beraten oder einzelne Schülerbegegnungen organisieren. Lehrkräften, die sich im Austausch und für Schulpartnerschaften engagieren, sollten daher Anrechnungsstunden für ihren Zeitaufwand zuerkannt werden", sagte Bernd Böttcher
Sind in Schulen Koordinator*innen für Internationale Programme für Austausche und Schulpartnerschaften zuständig, können sie das Erfahrungswissen und Kontakte zu unterstützenden Organisationen sammeln, damit das Kollegium bei Bedarf darauf zugreifen kann. Dafür muss jedoch auch ein Zeitkontingent vorgesehen werden.
Eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Schulen ist auch die regelmäßige Qualifizierung der Lehrkräfte. Austausch muss deshalb - stärker als bisher - in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften verankert werden. Ansätze wären, Austausch in den Studienplänen für Lehramtsstudierende zu thematisieren oder in Fortbildungen zu behandeln. Auch die Teilnahme an internationalen Fortbildungen - auch zu fachlichen Themen - kann Lehrkräfte anregen:
„Nichts motiviert so sehr, einen Austausch mit der Klasse zu betreuen, wie ein persönliches Erlebnis, etwa bei einer internationalen Fortbildung oder einem Lehrkräfteaustausch ins Ausland“, sagte Elisabeth Berger vom DFJW.
Eine der Herausforderungen im Austausch an berufsbildenden Schulen besteht in der notwendigen Freistellung für Schülerinnen und Schüler durch den Ausbildungsbetrieb. Thomas Rudner von Tandem sprach sich deshalb sehr dafür aus, dass Kommunen, Kammern und Politiker*innen auf die Betriebe zugehen und auf die positiven Wirkungen von internationalem Austausch hinweisen, gerade angesichts der großen Bedeutung für die Fachkräftequalifizierung und damit für den Wirtschaftsstandort Bayern.
Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb der Schulen
Michael Schwarz und Jürgen Krenss, Bereichsleiter beim Bayerischen Jugendring (BJR), konnten genau Auskunft geben zu Fragen der Förderhöhe und der Teilnehmendenzahlen für den Austausch in Bayern. Aber auch für die inhaltliche Unterstützung des Austauschs bietet der BJR eine bewährte Struktur in Bayern, die sowohl für den Schüler- wie für den Jugendaustausch zuständig ist und so in keinem anderen Bundesland besteht.
„Gerade in ihrem direkten Umfeld – in Sportvereinen, bei der Feuerwehr oder in Städtepartnerschaften – finden Schulen oft wichtige Partner für die Organisation von Austauschen, die sie bei internationalen Projekten unterstützen können“, so Michael Schwarz.
Um Schüler*innen an Mittel- und Realschulen eine Chance zur Teilhabe an Austauschprojekten zu eröffnen, bietet der BJR eine besondere Unterstützung für diese Schulformen an: Eine derzeit noch aus Mitteln des Bayerischen Kulturfonds finanzierte Projektreihe setzt auf die Kooperation zwischen bayerischen Mittel- und Realschulen mit ausländischen Schulen, Jugendbildungsstätten in Bayern sowie vergleichbaren Einrichtungen im Partnerland. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der interkulturellen Projektarbeit (Sport, Medien, Kunst und Musik), die mit Betriebs- und Schulbesichtigungen verbunden wird.
Mit dem BJR in Bayern bestehen bereits seit längerem gute Voraussetzungen, junge Menschen über Austauschangebote zu informieren und den schulischen Austausch mit Angeboten der Internationalen Jugendarbeit zu vernetzen. Diese Strukturen gilt es weiter zu stärken, um tatsächlich alle jungen Menschen zu erreichen und Akteure bereichsübergreifend zu unterstützen.
Anmerkungen:
1) Im Vergleich zu 2011/12 (34.762) sank die Zahl bayerischer Schüler*innen im Ausland bis 2017/18 um ca. 13% (auf 30.459), vgl. Antwort des StMUK auf die Schriftliche Anfrage von MdL M. Rinderspacher „Internationaler Schüleraustausch an bayerischen Schulen 2018“ (LT-Drs. 18/1384 vom 31.05.2019)
2) bezogen auf den Anteil der Austauschschüler*innen an der Gesamtzahl der Jugendlichen relevanter Jahrgänge; in Bayern lag er 2017/18 bei 1,12%, bundesweit bei 1,4%; vgl. weltweiser-Studie zum Schüleraustausch (hrsg. von Th. Therbeck, Bonn 2019, S. 26f. und S. 32, www.weltweiser.de). Die Studie untersucht Zahlen zum individuellen Schüleraustausch mit einer Austauschorganisation für mind. 3 Monate und an eine öffentliche Schule; verglichen mit 2015/16 wird ein minimaler Anstieg um 0,08%-Punkte festgestellt;