Fachbeiträge

Neue Austauschprojekte für neue Zielgruppen - aber nicht von der Stange!

Expertise zu Einstiegsformaten- und bedingungen für Internationale Jugendbegegnungen erschienen.
Jugendaustausch DFJW

Knapp drei Viertel der Jugendlichen zwischen 14 und 27 Jahren in Deutschland haben (noch) nie an einem internationalen Jugend- oder Schüleraustausch teilgenommen, obwohl die Hälfte dieser Gruppe daran interessiert ist. So lautete ein zentraler Befund der im letzten Sommer erschienenen Zugangsstudie zum internationalen Jugendaustausch (Becker/Thimmel 2019). Um diesen Jugendlichen Zugang zu entsprechenden Angeboten zu ermöglichen, wurden in den Schlussfolgerungen der Studie neue, bedarfsorientierte Formate empfohlen.

Mit der nun vorgelegten Expertise „Es braucht eventuell ganz neue Ideen und Formate. Einstiegsformate und -bedingungen für internationale Jugendbegegnungen“, hat Dr. Helle Becker eine Konkretisierung dieser Empfehlung vorgelegt. Sie basiert auf neun Expert*inneninterviews und enthält zahlreiche Hinweise für die Planung und Durchführung von Einstiegsformaten aber auch für die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen von Jugendaustausch.

In ihrem Fazit verweigert sich die Autorin einer einfachen Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach geeigneten Einstiegsformaten. Es werden keine fertigen Kochrezepte oder standardisierte Austauschprojekte vorgestellt. Im Gegenteil: Sie plädiert dafür, solche Vorstellungen zu überwinden, da sie meist mit „sehr einseitigen Bildern von Abnehmer*innen (Zielgruppen)“ arbeiten würden. Wie schon in der Zugangsstudie spricht sie sich dafür aus, jedes Austauschprojekt abhängig von den Bedürfnissen bzw. den sozialen und individuellen Voraussetzungen der angesprochenen Jugendlichen zu gestalten. Um diesem Anspruch der Passfähigkeit gerecht zu werden, müssten sich allerdings die strukturellen Rahmenbedingungen für die Durchführung von Austauschprojekten ändern.

Hierzu geben die ausgewerteten Experteninterviews viele Anregungen, und obwohl die Expertise einen klaren Fokus auf das Handlungsfeld der internationalen Jugendarbeit legt, wird an verschiedenen Stellen auf die Übertragbarkeit der Befunde auf den schulischen Bereich hingewiesen. Im Folgenden eine Auswahl:

  • Für die Umsetzung internationaler Austauschprojekte, ob im Rahmen von Schule oder Jugendarbeit, kommt qualifizierten Fachkräften eine Schlüsselrolle zu. Das Thema Austausch sollte deswegen in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Fachkräften der Jugendarbeit verankert werden.
  • Auch Schulen bzw. Lehrkräfte sind auf Information und Beratung angewiesen, wenn das Ziel der sozialen Inklusion auch für internationalen Schüleraustausch erreicht werden soll. Hier sollten entsprechende Angebote durch die Schulverwaltung bzw. die Landesinstitute für Lehrerfortbildung geschaffen werden.  
  • Sowohl in der Jugendarbeit als auch im Bereich der formalen Bildung gilt es, die Vorstellung zu überwinden, dass bestimmte Jugendliche keine oder mangelnde Voraussetzungen für die Teilnahme an einer Internationalen Begegnung hätten. An Schulen gibt es das Phänomen der „wohlwollenden Unterforderung“, bei denen Schüler*innen aus sozial benachteiligten Familien unterstellt wird, dass sie aufgrund geringer Englischkenntnisse oder fehlender Vorbereitung im Elternhaus nicht für den Schüleraustausch geeignet seien.
  • Die Förderprogramme für Jugend- und Schüleraustausch errichten vielfach hohe Hürden durch bürokratische Antragsverfahren errichten. Der Aufwand sei häufig nicht durch eine Schule oder Lehrkraft zu leisten.
  • Für internationale Austauschprojekte sei es förderlich, wenn Träger der Jugendarbeit und Schulen internationale Perspektiven als selbstverständlichen Teil ihrer Arbeit übernehmen würden. Hierzu sei eine Verankerung in Schulprogrammen und Leitbildern hilfreich.

Die vollständige Expertise kann auf der Website von Forschung und Praxis im Dialog heruntergeladen werden.

Veröffentlicht am: 13.12.2019
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